Armenien Teil 2: Hauptstadt Jerewan und Süden

 

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1.9.2022

Shulaveri, Georgien – Haghpat, Armenien

Km: 70

Km Total: 19’830

Ab an die Grenze, wir wissen wies geht, wir sind ja vor 5 Wochen bereits über denselben Grenzübergang nach Armenien eingereist. Ausreise Georgien; 5 Minuten. Nun die Einreise. Maryse muss separat im Gebäude durch den Zoll und ich fahre mit dem Fahrzeug über die Grenze. Irgendwie dauert es etwas lange mit Pass und Fahrzeugdokument prüfen. Ein zweiter Zöllner kommt, ich muss wieder zurückfahren und das Fahrzeug abstellen. Ich höre das Wort „Straf“, auf Russisch Busse. Verwirrt folge ich dem Zöllner. Nun verstehe ich, was es für eine „Straf“ ist. Wir sind beim letzten Armenien Besuch in einen Radar gerauscht. 73km/h in einer 60er Zone! Also zuerst ab auf die Bank. Die Busse beträgt knappe 8 Franken, das ist OK ;-). Mit dem Beleg der Bank zurück zum Auto und ich werde durchgelassen. Jetzt noch die Fahrzeugregistrierung von 25 Franken bezahlen und wir sind wieder in Armenien!

Wie könnte es anders sein in Armenien; erster Stopp ein Kloster :-). Das im 13. Jahrhundert errichtete Akhtala Kloster ist eines der wenigen orthodoxen Klöster in Armenien mit grossen Fresken (Malereien). 

Bei 35°C fahren wir in der Sonne nach Haghpat. Seit ewig steuern wir einen richtigen Campingplatz an, der zu unserem Erstaunen vollgepackt mit Wohnmobilen ist.   


 

2. – 3.9.2022

Haghpat, Armenien

Der Hauptgrund für unseren Besuch auf dem Campingplatz sind unsere proppenvollen Wäschesäcke und die etwas müffelige Bettwäsche! Und es gibt hier sogar eine richtig gute neue Waschmaschine, die sauber ist, nicht stinkt, alle Programme funktionieren und frei zugänglich ist! Ein Traum für jeden Langzeitreisenden ;-). Aber nicht nur die Waschmaschine ist top, auch sonst ist der Campingplatz sehr schön gelegen mit super Aussicht auf den breiten Debed Canyon. Einzig etwas gewöhnungsbedürftig sind die vielen Wohnmobile ;-). Zuerst eine Gruppe Holländer und am nächsten Tag eine Gruppe Deutsche, Schweizer und Österreicher. Beides sind geführte Wohnmobilreisen mit je ca. 10 Fahrzeugen, die zusammen für 2-3 Monate die Türkei, Georgien, Armenien und den Iran bereisen. Natürlich besuchen wir auch das im Dorf Haghpat gelegene bekannte Kloster, das erste von drei zum Unesco-Weltkulturerbe gehörenden armenischen Klöster. Übrigens ist in den meisten Klosterkomplexen in Armenien oft nur noch die Kirche und einige Nebengebäude vorhanden; Mönche leben dort schon lange nicht mehr.

Im Klosterkomplex von Haghpat gibt es nebst einer grossen Kirche aus dem 10. Jahrhundert, auch eine Bibliothek, einen Weinkeller, einen Glockenturm und einige kleinere Kapellen. Sehr charakteristisch für armenische Kirchen ist der grosse Vorraum (Gawit), der meist ähnlich gross oder sogar grösser ist als die eigentliche Kirche und früher für allgemeine Versammlungen der Gemeinde, Unterrichtszwecke, Gerichtsverhandlungen und als Grabstätte von Fürstenfamilien diente. Auch sehr typisch sind die an den Aussen- und Innenmauern der Kirchen kunstvoll eingemeisselten Steinkreuze, Schriftgravuren und Ornamente sowie natürlich die konischen „Regenschirmdächer“. Die Klöster wurden meist an erhöhter Lage erbaut und sind von Festungsmauern umgeben, um sie vor Angreifern und Plünderern zu schützen.

 

4.9.2022

Haghpat – Kuchak, Armenien

Km: 140

Km Total: 19’970

Es ist Vormittag und wir bekommen vor der Abreise vom Campingplatzwart und dessen Vater einen Crashkurs in Schnapsbrennerei :-). Fast jede Familie brennt hier aus den eigenen Früchten (Zwetschgen, Maulbeeren u.v.m) ihren Schnaps. 

Wieder einmal mehr ziehen an uns Fabrikruinen vorbei. In keinem anderen Land auf unserer Reise haben wir so viele Fabrik- oder andere Ruinen (aus Sowjetzeiten) gesehen wie hier in Armenien.

Armenien ist übersät von mittelalterlichen Klöstern. So landen wir beim 1100 Jahre alten Kloster Sanahin, das als Schule für Erleuchtung und Kalligrafie galt.

Entlang des felsigen aber grünen Debed Canyon geht’s südwärts.

Wir machen es uns kurz vor dem Abendessen am Azat Stausee gemütlich und wissen noch nicht, dass wir einen arbeitsreichen Abend vor uns haben. Neben uns sind noch einige Einheimische am See, zum Fischen oder einfach zum Entspannen. Eines der Fahrzeuge, ein 4x4 Stadt-SUV, fährt geradeaus in den weichen nassen Sand und bleibt stecken. Der Fahrer gibt weiter Gas, aber das Fahrzeug geht nur in eine Richtung, nach unten. Und so kommt es, dass wir unsere Hilfe anbieten. Denn wir sind ja top ausgerüstet! Mühelos zieht unser Iveco den SUV gemütlich aus dem Matsch! Hat ja mal Spass gemacht und wir haben immerhin unser Bergungsmaterial nicht vergebens mitgenommen. Die Familie aus Jerewan ist überglücklich, es wird Instagram ausgetauscht und als Dank bekommen wir eine Box mit Essen, viel Fleisch vom Grill und etwas Brot. Für uns fast-Vegetarier nicht das ideale, aber wir haben es natürlich gegessen und so Pouletflügel sind trotzdem lecker :-).

Und da naht das nächste Unheil. Ein Auto steuert auf den Sand zu, und für uns ist klar, dass es stecken bleibt. Und so ist es! Bergungsseile und Schäkel wieder auspacken. Auch diese Karre ziehen wir mit Links aus dem Sand! Die drei Jugendlichen sind auch enorm froh haben wir geholfen. Nun reicht es aber und wir geniessen eine ruhige Nacht am See.

 

5.9.2022

Kuchak – Azat Reservoir, Armenien

Km: 100

Km Total: 20’070

Wir haben vor wenigen Tagen unser Iran Visum über eine Agentur beantragt. Da der Bescheid aber bis zu zwei Wochen (normalerweise etwa vier Tage) dauern kann, haben wir keine Lust bereits in die Hauptstadt Jerewan zu gehen, um es dann dort abholen zu können. So ziehen wir erst mal aussen an Jerewan vorbei Richtung Osten. Auf unserem heutigen Weg besuchen wir nochmals zwei Klöster. Maryse und ich sind immer etwas unschlüssig, ob wir diese Klöster besichtigen wollen. Wenn man den Reiseführer liest, kommt es einem vor, als gäbe es in Armenien nicht viel mehr als Klöster zu besuchen, und wir haben bereits gefühlte 10 besichtigt. Trotzdem finden wir es schade einfach vorbei zu rauschen :-).

Beide Klöster (Saghmosavank und Hovhannavank) sind wiederum wunderbar am Debed Canyon gelegen. 

Heute ist ja noch der Geburtstag von Maryse, und so geniessen wir am Abend gemütlich ein Bier mit wunderbarer Aussicht über den Azat Stausee.

 

6.9.2022

Azat Reservoir – Kloster Geghard, Armenien

Km: 30

Km Total: 20’100

Programm heute: Zwei Top Sehenswürdigkeiten Armeniens anschauen.

Es sind dies laut Reiseführer der Garni Tempel, der vor 2000 Jahren dem Sonnengott gewidmet wurde, sowie das Kloster Geghard. Für uns ist jedoch etwas Anderes, im Lonely Planet völlig unverständlicherweise kaum erwähnt, das absolute Spektakel. Gleich unterhalb des Garni Tempels spielt die Natur verrückt und kreierte die „Symphonie der Steine“. Eine atemberaubende Felsenlandschaft wie wir sie noch selten zu Gesicht bekamen! Diese bis zu 50 Meter hohen, überhängenden, hexagonalen Basaltfelsen scheinen dank ihrer unglaublichen Symmetrie wie handgemacht!

Und weiter bis ans Ende des Tals zum Kloster Geghard. Es ist, auch wegen der spektakulären Lage, auf alle Fälle eines der sehenswertesten Klöster in Armenien. Die ältesten Gebäude sind aus dem 12. Jahrhundert. Einzelne grössere Räume sind komplett in den soliden Felsen gehauen worden, und es ist für uns schlichtweg unvorstellbar was dies für eine Arbeit gewesen sein muss vor hunderten vor Jahren!

Von so viel Sightseeing ist man doch eher müde und wir haben keine Lust mehr zu fahren und nächtigen direkt auf dem Parkplatz des Klosters.

 

7.9.2022

Kloster Geghard – Jerewan, Armenien (Iran Visa organisieren)

Km: 70

Km Total: 20’170

Gestern Abend haben wir freudige Nachrichten erhalten: unser Iran Visum ist abholbereit! Uns fällt ein Stein vom Herzen, da wir die Anträge relativ kurzfristig eingereicht haben und wir nicht wussten wie lange die Bearbeitungsdauer sein würde (wir haben von anderen Reisenden verschiedenes gehört…). Aber nach vier Tagen Wartezeit sind unsere Visa bereit und so geht unser Plan rund um Jerewan gar nicht so schlecht auf. Der Grund, wieso wir eine Agentur beauftragten, ist die erforderliche „Genehmigung“ des iranischen Aussenministeriums, die man für den Visaantrag benötigt. Diese selbst bzw. mittels der Botschaft zu organisieren kann mühsam und zeitraubend sein. Wir gingen den einfachen Weg und beauftragten für die Erledigung der iranischen Bürokratie für je 20 Dollar eine Agentur. Soweit so gut, der Gang auf die Botschaft bleibt uns nicht erspart und so machen wir uns frühmorgens auf in die 1-Millionenstadt Jerewan. Der Verkehr ist nicht allzu schlimm und so kommen wir gut voran. Im Auto diskutieren wir noch, ob ich (Maryse) wohl ein Kopftuch und ein langärmliges Shirt tragen sollte... Wir entscheiden uns beide lediglich für lange Hosen und sind dann erleichtert, dass wir nicht die einzigen Besucher sind, die nicht der islamischen Kleiderordnung entsprechend angezogen sind. Der Ablauf in der Botschaft ist uns grundsätzlich aus verschiedenen Informationsquellen bekannt. Bevor wir jedoch die Visagebühren bei der Bank einzahlen, wollen wir abklären, ob mit den Visa wirklich alles geklappt hat und uns versichern, dass wir den korrekten Betrag einzahlen. Zum Glück hat es in der Botschaft fast keine Leute und wir kommen schnell an die Reihe. Wir geben unsere Pässe ab, der Mann verschwindet kurz und bestätigt uns dann, dass unsere Visa bereit sind und nur noch die Zahlungsbestätigung der Gebühren von je 50 Euro erforderlich ist. Visaantrag in Papierform oder Hotelreservation ist nicht nötig (wie von der Agentur empfohlen). Also los zur Bank! Nach einer 20-minütigen Autofahrt stehen wir in der modernen Iranischen Mellat Bank und teilen der freundlichen Dame am Schalter mit, dass wir die Gebühren fürs iranische Visum einbezahlen möchten. Die Dame weiss genau was zu tun ist, wir geben unsere Pässe ab, und ohne jegliche weiteren Angaben (wie z.B. Kontonr.) können wir die 100 Euro in bar einbezahlen. Wir beeilen uns zurück zur Botschaft zu kommen, da diese nur bis 13.00 Uhr geöffnet hat. Pässe und Zahlungsbestätigung abgeben und fünf Minuten später halten wir unser 45 Tage Visum in den Händen! Wow, das ging nun aber wirklich überraschend unkompliziert und speditiv! Neu für uns ist, dass das Visum nicht in den Pass eingeklebt wird, sondern man erhält ein separates A4 Blatt. Dies vermutlich aus dem Grund, dass man mit einem Iran Visum im Pass nicht mehr in allen Ländern erwünscht ist oder viele kritische Fragen beantworten muss (bei unserer letzten Reise der Fall!). Zufrieden machen wir uns auf die Suche nach einem Hotel, ja richtig gehört, ein Hotel ;-). 

Wir haben einfach gerade keine Lust, bei der Hitze (ca. 35 Grad) auf einem Parkplatz in der Stadt zu campen. Da wir nicht einfach in ein x-beliebiges Hotel können, sondern auch einen sicheren und grossen Parkplatz brauchen, ist die Hotelsuche in so grossen Städten meist sehr schwierig. Wir haben uns im Internet einige Kandidaten herausgesucht, die wir nun abklappern. Nach dem zweiten Anlauf werden wir fündig, zwar nicht so zentral wie erhofft, aber der Rest ist ganz akzeptabel ;-).


 

8. – 9.9.2022

Jerewan, Armenien

Einer unserer bleibenden Eindrücke von Jerewan: Hier muss Geld vorhanden sein! 200'000 Franken Autos sind keine Seltenheit und schicke und teure Cafés oder Restaurant gibt’s im Stadtzentrum wie Sand am Meer. Eigentlich gibt’s im Zentrum fast nur teure Lokale, und so kommt es, dass wir seit Beginn der Reise noch nie so viel Geld ausgegeben haben fürs Essen. Zwei Cappuccino: 10 Franken! Ausserhalb des Zentrums ist natürlich eine andere Welt. Auffallend sind auch die vielen Russen die sich hier, vermutlich seit dem Krieg, niedergelassen haben.

Eine der Sehenswürdigkeiten bleibt bei uns im Gedächtnis hängen, das Genozid-Museum.

Wieder einmal wird uns vor Augen geführt wie schrecklich der Mensch sein kann. Um 1916 wurde von den Ottomanen (heutige Türkei) ein Völkermord an den Armeniern begangen und grosse Teile des ehemaligen Armeniens (inklusive dem 5137m hohen Ararat) gehört heute zur Türkei. Bis heute verursacht dieser Völkermord Spannungen zwischen den Ländern. Die Türkei anerkennt den Völkermord, zum Ärger der Armenier, bis heute nicht und die Grenzübergänge der Länder sind nach wie vor allesamt geschlossen!


Neben den üblichen Sehenswürdigkeiten wie der Republic square, die Kaskaden mit dem „Cafesjian Center for the Arts“ oder dem History Museum, gibt’s auch etwas skurrilere Bauten.

Zwei davon, beide aus Sowjetzeiten, liessen wir uns nicht entgehen. Ein etwas runtergekommener, 500m langer Fussgängertunnel ins Zentrum, sowie einzelne Metrostationen.

Wie immer geniessen wir an solchen Orten ein riesen Angebot an verschiedenem Essen und wir kamen sogar in den Genuss von guter Live Jazz Musik in einer schummerigen Kellerbar :-).

 

10.9.2022

Jerewan – Lusarat, Armenien

Km: 80

Km Total: 20’250

Seit einem knappen halben Jahr haben wir mit unserem Getriebe etwas Mühe und kriegen die Gänge nicht immer sauber rein. Mit einem 23-Jährigen Fahrzeug das bald 300’000km hat, ist ein wenig Ärger normal :-).

Aus diesem Grund wollen wir das Getriebeöl austauschen. Wir realisieren bald, dass unser Fahrzeug richtig in die Jahre kommt, da wir das vorgeschrieben Öl gar nicht mehr bekommen! Noch für das nächstbeste geeignete Öl klappern wir diverse Läden und Garagen ab. Endlich! Wir haben etwas im achten Geschäft gefunden! 

Wir sind ja schliesslich auch in der „Ölwechselstrasse“ gelandet wo es ein Shop neben dem anderen gibt, und alle wechseln nur Öl. Wir kaufen 2L, aber wir passen für den Ölwechsel nicht in seine Garage rein (Höhe). Der Junge geht zum Nachbarn, mietet für 20 Minuten dessen Garage und das Öl wird gewechselt. Kostenpunkt: 12 Franken für die Arbeit, 2 Franken für die Miete der hohen Garage und 20 Franken für das Öl. Nur leider hat der Ölwechsel keine Veränderung gebracht! Endlich fahren wir zur Hauptstadt raus und nächtigen in der Nähe des Khor Virap Klosters.


 

11.9.2022

Lusarat – Nor Ughi, Armenien

Km: 20

Km Total: 20’270

Eine weitere spannende Etappe unserer Reise beginnt: der Süden Armeniens! Auch auf dieser Strecke liegen natürlich wieder einige historisch wertvolle Klöster, die wir trotz leichter Übersättigung, noch besichtigen werden. Wie bereits mehrmals erwähnt, ist die Landschaft rings um die Klöster oft sehr reizvoll, was auch unsere Motivation antreibt. So auch beim Kloster Khor Virap. Eigentlich hätte uns die fantastische Aussicht von unserem Schlafplatz aus schon fast gereicht! Vor uns liegt ein ausgedehntes Rebengebiet, im Hintergrund ragt der mächtige Berg Ararat (5137m) aus der Ebene empor, dazwischen verläuft der Grenzfluss Araks, der den angrenzenden Felder ein sattes Grün verleiht, und zu guter Letzt, ganz beschaulich auf einem Hügel gelegen, das orange leuchtende Kloster Khor Virap. Doch natürlich schauen wir uns das Ganze auch noch von nahem an. Es herrscht reges Treiben im Klosterkomplex. In der Hauptkirche findet gerade der sonntägliche Gottesdienst statt, die Gesänge des Pfarrers und dessen Gehilfen hallen durch die weihrauchgetränkte Luft, die Gläubigen kommen und gehen, zünden Kerzen an, dazwischen neugierige Touristen wie wir. 

In einer kleinen Kirche nebenan gibt’s einen legendenumwobenen Brunnen, in den man über eine steile Metallleiter hinuntersteigen kann. Die Legende besagt, dass hier Gregor der Erleuchter für 12 Jahre von einem heidnischen König eingekerkert wurde. Der Brunnen ist heute eine beliebte Pilgerstätte. Von jung bis alt wird hier heruntergestiegen, auch einhändig mit kleinen Kindern im Arm wird die senkrecht stehende Leiter in Angriff genommen. Hoffentlich hat hier der Erleuchter Gregor noch ein Auge darauf ;-). Nun noch ein kurzes Wort zum Ararat: das Nationalsymbol der Armenier, der Berg, an dem die Arche Noah nach der Flut gestrandet sein soll, liegt nur ca. 20 km von der Hauptstadt entfernt und ist doch unerreichbar für die Armenier, da er auf türkischem Staatsgebiet liegt. Die gemeinsame Grenze ist aufgrund schlechter Beziehungen der beiden Länder seit Jahren dicht. So, nun haben wir aber Hunger bekommen und suchen uns im nächsten Dorf ein Restaurant. Bereits bei der gestrigen Anfahrt sowie auch von unserem Schlafplatz aus, ist uns die weiter östlich gelegene schöne rosa-braun gefärbte Hügelkette aufgefallen. Wir schauen auf dem Satellitenbild, ob es vielleicht ein Strässchen dorthin gibt und werden fündig. Also los! Zuerst über asphaltierte Strassen durch einige Dörfer, dann erwischen wir einen falschen Abzweiger und landen in einer Sackgasse mitten auf einem Friedhof, in einem Verkehrschaos! Wir wissen nicht genau, ob heute ein besonderer Tag ist, jedenfalls sind massenhaft Leute mit ihren Autos auf dem Friedhof, legen Blumen auf die Gräber und zünden Schalen mit Weihrauch an. Irgendwie schaffen wir es auf dem engen Strässchen zu wenden. Kurz nach dem Friedhof verläuft die Strasse über die örtliche Mülldeponie; immer wieder ein erschreckendes Bild und ein Ansporn für uns, so wenig Müll wie möglich zu produzieren. Weiter geht’s und bald fahren wir über ein holpriges Strässchen bergauf, hinein in eine idyllische Landschaft, die rosa-braunen Hügel nun direkt vor der Nase! 

Wie erhofft, führt die Strasse zuoberst auf den Grat, von wo wir eine spektakuläre 360 Grad Aussicht geniessen. Auf der einen Seite der Ararat, auf der anderen die weich geformte Hügellandschaft. Klar, dass wir hier für die Nacht bleiben :-).

 

12.9.2022

Nor Ughi – Areni, Armenien

Km: 90

Km Total: 20’360

Wie schon so oft auf dieser Reise geniessen wir unser Frühstück bei herrlichster Aussicht, ganz einsam, mitten in der Natur! Weiter geht’s mit unserer Offroad-Fahrt durch die schöne hügelige Halbwüste. Bis jetzt sind die unbefestigten Strassen in dieser Hügellandschaft erstaunlicherweise in sehr gutem Zustand. Uns ist allerdings nicht klar, wieso es hier überhaupt Strassen gibt und wer sie benutzt, weit und breit sind keine Häuser. Vielleicht vom Militär erbaut? Wie auch immer, der Iveco bringt uns in den Kriechgängen problemlos die steile Strasse zum nächsten, noch höheren Hügel hinauf. Auch hier ist die Aussicht phänomenal, eigentlich noch besser als von unserem Schlafplatz und wir ärgern uns ein bisschen, dass wir nicht gestern schon hierhin gefahren sind. Welch schwerwiegende Probleme wir haben ;-). Während der Talfahrt kreuzen wir eine polnische Reisegruppe mit ca. 15 SUV’s, wir sind also doch nicht ganz die einzigen Verrückten ;-)

Weiter geht’s nun nicht mehr über die Hügel, sondern zwischen den Hügeln hindurch, auch die Strassenqualität hat abgenommen. Die schmale steinige Strasse schlängelt sich wie ein Bachbett (was es vielleicht auch ist) durch die Hügel, ab und zu zweifeln wir an unserer Entscheidung hierdurch zu fahren… Doch es ist zum Glück nicht allzu weit, wir kommen heil durch, dann weitet sich die Strasse ein wenig bis wir schlussendlich wieder eine Anhöhe erreichen. Mittagessen bei wiederum spektakulärer Aussicht auf die weitläufige Hügel- und Felslandschaft. Das letzte Stück unseres Offroad-Abenteuers hat es dann allerdings noch in sich. Eine extrem steinige Passage durch einen alten Steinbruch. Doch auch dies meistert unser Iveco ohne Schaden zu nehmen (natürlich auch dank den Fahrkünsten von Stefan!). 

Anschliessend ein kurzer Abstecher in einen kleinen Canyon mit eindrücklichen erodierten Felswänden. Da wir zeitlich gut dran sind, beschliessen wir noch ein Stück in Richtung unseres nächsten Zieles, dem Noravank Kloster zu fahren. Unterwegs ein kurzer Stopp beim Hells Canyon und weiter ins Dorf Areni. Die Landschaft ringsherum wird langsam richtig bergig, wir kommen dem Südgebirge näher. Nun zu einer einzigartigen und sonderbaren Sehenswürdigkeit. Nur per Zufall entdecken wir hier in der Nähe das skurrile Bauwerk. Mitten in der Natur, eingeklemmt zwischen zwei Felswänden steht eine riesige Beton-Stahl Konstruktion, erbaut mit unzähligen knochenförmigen Betonstücken. Wie ein Turm aus Streichhölzern. 

Der Zweck dieses sonderbaren Gebildes ist uns völlig unklar, vor Ort sind keinerlei Information vorhanden. Die sehr spärlichen Informationen im Internet ergeben, dass es sich um eine Schutzwand gegen Überschwemmungen handelt, erbaut in Sowjetzeiten. Zum Schluss des Tages nun noch ein herzzerreissendes Erlebnis. Kurz nach dem Losfahren entdeckt Stefan neben einer Mülltonne ein süsses junges Hündchen, das treuherzig aus dem hohen Gras schaut. Natürlich halten wir an und füttern den Kleinen. Er sieht zum Glück nicht unbedingt krank oder abgemagert aus, was er aber hier mutterseelenallein macht, ist uns ein Rätsel. Natürlich möchten wir ihn am liebsten mitnehmen, doch wie schon so oft, müssen wir die Vernunft walten lassen. Reisen mit Hund ist in vielen Ländern nicht ganz einfach und für den Hund oft auch nicht sehr angenehm. Ein Tierheim, wo man ihn abgeben könnte, existiert nicht. Wir hoffen sehr, dass seine Mama zurückkommt und sich um ihn kümmert. 

Wir nehmen uns vor, am nächsten Tag nochmals nach ihm zu schauen. Hoch über dem Dorf finden wir einen perfekten Schlafplatz mit, wie könnte es anders sein, fantastischer Aussicht :-). 

 

13.9.2022

Areni – Noravank, Armenien

Km: 10

Km Total: 20’370

Wie fast jeden Tag checkt Stefan morgens im Internet die News: Krieg in Armenien! In der Nacht auf heute wurden im Süden Armeniens verschiedene Militärstützpunkte von aserbaidschanischen Streitkräften angegriffen! Sehr aussergewöhnlich und besorgniserregend ist, dass die Angriffe nicht im seit Jahren umkämpften Gebiet Berg-Karabach verübt wurden, sondern auf armenischem Terrain. Eines dieser Gebiete, Jermuk, wäre eigentlich unser nächstes Ziel gewesen… Uns ist schon ein bisschen mulmig zumute, da wir uns hier nicht sooo weit von diesen Gebieten befinden. Und auch unsere Weiterreise würde natürlich tiefer in den Süden führen. Nicht unbedingt durch umkämpfte Gebiete, aber da der Süden relativ schmal ist, verläuft die Strasse teils doch recht nahe der aserbaidschanischen Grenze. Nun gut, wir geraten nicht gerade in Panik und machen uns erst Mal auf den Weg zur nächsten Sehenswürdigkeit. Mal schauen, ob wir die einzigen Touristen sind, die sich noch hier aufhalten… Natürlich fahren wir nicht auf dem „normalen“ Weg dorthin, sondern über eine kleine unbefestigte Strasse, die von weitem irgendwie besser aussah als sie dann effektiv ist ;-). Bereits die Fahrt zum bekannten Noravank Kloster ist ein absolutes Highlight! Wir sind begeistert von der rötlich gefärbten Halbwüstenlandschaft, gespickt mit langgezogenen Felsbändern und den hohen Felswänden der Amaghu Schlucht.

Das Kloster fügt sich wunderbar in die Farbtöne dieser Landschaft ein. Und wir sind zum Glück nicht die einzigen Touristen, also kein Anlass zur Panik ;-). Die Klosteranlage ist nicht nur wegen ihrer äusserst malerischen Lage ein Besuch wert, auch die Kirchen selbst sind mit ihren vielen Steinkreuzen, Inschriften, Reliefskulpturen und der besonderen Fassade der Hauptkirche sehr eindrücklich.

Wegen der unsicheren Lage im Süden beschliessen wir die heutige Nacht in der Nähe des Klosters zu verbringen und um den weiteren Reiseplan zu schmieden.  

 

14.9.2022

Noravank – Selim Pass, Armenien

Km: 60

Km Total: 20’430

Wir entscheiden uns wegen den Grenzgefechten für eine Routenänderung. Wir fahren gegen Norden anstelle gegen Süden. Unser Ziel, der 2410 hohe Selim Pass.

Kaum losgefahren begegnen uns die ersten Militärfahrzeuge, unter anderem ein monströser 3m breiter LKW mit Luftabwehrraketen! Auf dem Weg zum Pass folgen weitere LKW’s mit kleineren Geschützen hinten angehängt. Es fühlt sich eigenartig an, wir sehen die Gesichter der sehr jungen Männer in den LKW’s und fragen uns einmal mehr wieso solche Auseinandersetzungen überhaupt stattfinden! 


Wir steigen höher und höher. Farbige Felsen begleiten uns den ganzen Weg auf den Selim Pass, fantastisch! Kurz vor der Passhöhe machen wir eine Pause bei der Selim Karawanserei. Aus dem 14. Jahrhundert stammend, bot dieser Platz den vielen Reisenden, die auf der Seidenstrasse unterwegs waren, eine Unterkunft für Tier und Mensch.

Ein älteres Ehepaar, vor der schönen Karawanserei mit ihrem alten Lada stehend, verkauft Souvenirs und Leckereien. Wir lassen uns natürlich überreden, plaudern etwas mit ihnen und kaufen ein paar Sachen zum Essen ein. Neben hausgemachter Marmelade auch die traditionellen „Tklapi“, eine Art süsse getrocknete Fruchtblätter zusammengerollt mit Nüssen.

Für die Nacht, stellen wir uns etwa 1km abseits der Passstrasse auf und geniessen wieder einmal mehr die fantastische Aussicht gegen Süden ins Tal. 

 

15.9.2022

Selim Pass, Armenien

Wir bleiben vorerst auf dem 2410m hohen Pass und unternehmen eine kleine Wanderung. Ohne Plan wandern wir weiter weg von der Passstrasse den Hang hinauf. In der schönen aber kargen, steppenähnlichen Hügellandschaft kommen wir nach etwa anderthalb Stunden bei einem „Dorf“ vorbei, das lediglich für drei Monate im Sommer von wenigen Leuten und ihrem Vieh bewohnt ist. Ein paar Männer schauen uns überrascht an und wollen natürlich wissen was wir hier machen und wer wir sind. Nach ein paar Worten wird Vodka angeboten, aber wir lehnen dankend ab und ziehen weiter :-). Wenige hundert Meter vom Dorf entfernt entdecken wir eine kleine „Kirche“, lediglich bestehend aus einem kleinen Felsen, einem Kreuz obendrauf und einer kleinen Mauer, hinter der sich ein paar heilige Bilder und einige ausgebrannte Kerzen verbergen.

Zurück beim kleinen abgelegenen „Dörfchen“ treffen wir auf Zuchik, eine ältere Frau, die uns in ihre Küche einlädt. Wir werden sofort eingeladen zu Kaffee und Früchten. Wieder einmal mehr sind wir beeindruckt von der Gastfreundschaft, die Leute haben fast nichts, und geben trotzdem was sie haben! Die liebe Frau hat eine Riesenfreude am Besuch und stopft noch sechs leckere Birnen in unseren Rucksack. Auch für uns ist es eine schöne und bleibende Begegnung!

 

16.9.2022

Selim Pass – Getap, Armenien

Km: 30

Km Total: 20’460

Heute geht’s dieselbe Strecke vom Pass runter wie vorgestern rauf und wir landen unten im Talboden auf einem der wenigen Campingplätze des Landes. Grund für den Campingplatz ist Wäsche waschen, allfällige Neuigkeiten zum Grenzkonflikt erfahren und vor allem ein edles Restaurant in der Nähe

Wir gehen also am Abend zu Fuss in dieses Weingut-Restaurant wo wir wirklich in einem Gourmet-Tempel gelandet sind! Leckerer Käse (bester im ganzen Kaukasus), super Brot, ein edler Tropfen aus ihrem Weingut und perfekt gemachter Fisch! Was für ein Abendessen! Kostenpunkt 60 Franken, hierzulande äusserst teuer, aber in der Schweiz hätten wir für das Selbe locker das dreifache bezahlt!

 

17.9.2022

Getap – Goghtanik, Armenien

Km: 50

Km Total: 20’510

Wirklich viel konnten wir auf dem Campingplatz über den Grenzkonflikt nicht in Erfahrung bringen. In den Medien lesen wir, dass der vereinbarte Waffenstillstand eingehalten wird und iranische Campinggäste bestätigen uns, dass die Strasse Richtung Süden zur iranischen Grenze ohne Einschränkungen befahrbar ist. Trotzdem beschliessen wir, nicht auf direktem Weg in den Süden zu fahren, sondern nochmals eine kleine 2-tägige Tour hier in der Region zu machen. Wir besuchen zuerst eine Wildbeobachtungsplattform, von wo man in den gegenüberliegenden Felsen Bezoar-Ziegen (eine Art Steinböcke) und mit viel Glück sogar Bären sichten könnte. Allerdings lassen sich um diese Tageszeit (nach dem Mittag) keine Tiere blicken und so begnügen wir uns mit der schönen Aussicht in die kleine Schlucht und deren teils speziell geformten Basaltfelsen. Der Zugang zur Plattform führt durch eine private Apfelplantage, die Bäume sind proppenvoll mit roten Äpfeln. Wir fragen die Besitzerin, ob wir einen Apfel mitnehmen dürfen und erhalten noch fünf Stück obendrauf :-). Unser nächster Halt ist ein im Jahr 1996 wiederentdeckter jüdischer Friedhof. Wir parkieren am Strassenrand nahe eines Wohnhauses und fragen einen daherkommenden Mann, ob wir hier parkieren dürfen. Er bejaht und schenkt uns obendrein noch ein Bündel Trauben, die er gerade in der Hand hält! Auf dem Fussweg zum Friedhof treffen wir auf ein junges einsames Hündchen, das uns zuerst wie ein Grosser anbellt, sich dann uns allerdings anschliesst und über den ganzen Friedhof begleitet. Natürlich wird er von uns mit grosszügigen Streicheleinheiten belohnt :-). Der Friedhof beherbergt rund 40 zylinderförmige Grabsteine aus dem 13. und 14. Jahrhundert, einige tragen Inschriften in hebräischer Schrift und sind wichtige und seltene Zeitzeugen der jüdischen Bevölkerung in Armenien. 

Wir fahren tiefer in das schmale Tal hinein, der Asphalt wird durch eine Kiesstrasse abgelöst, und unzählige Haarnadelkurven führen uns weiter in die Höhe bis auf 2500m. Auf der Passhöhe mit schöner Aussicht richten wir uns zum Übernachten ein. In der Ferne hören wir die lauten Treibrufe eines Hirten. Bald taucht die grosse weisse Ziegenherde hinter einem Hügel auf und wälzt sich wie eine Lawine auf uns zu, die Tiere wirbeln den Staub des trockenen Bodens auf und marschieren wie ein kleiner Wirbelsturm auf uns zu :-).

Die Ziegen und Hirtenhunde ziehen jedoch interessenlos an uns vorbei. Nicht so der Hirte selbst, der selbstverständlich etwas über uns wissen will, uns zwei Handvoll Hagebutten schenkt und schlussendlich noch zu sich nach Hause einladen möchte. Der Tag ist wieder mal voller Begegnungen mit herzlichen und grosszügigen Menschen sowie grossartigen Landschaften!

 

18.9.2022

Goghtanik – Getap, Armenien

Km: 50

Km Total: 20’560

Auch heute sehen wir von weitem die grosse Ziegenherde auf uns zusteuern. Vermutlich derselbe Hirt, den wir gestern bereits getroffen haben. Auch zwei Motorradfahrer mit Gepäck ziehen an uns vorbei, weiter auf einen Hügel in der Nähe. In der Zwischenzeit ist auch der Hirt von gestern bei uns angekommen und ist wegen den Motorradfahrern etwas ausser sich. Er meint, dass es vielleicht Spione seien aus Aserbaidschan, da sie in diese Richtung am Fahren sind. Als diese zurückkommen, hält der Hirt sie an, aber es sind natürlich keine Spione, sondern nur zwei Deutsche die mit gemieteten Motorrädern unterwegs sind. Nach etwas plaudern ziehen alle weiter, und auch wir packen unsere sieben Sachen ein und ziehen weiter. Wir geniessen die schöne Landschaft die an uns vorbezieht und sehen bei einzelnen Ställen doch für uns etwas Ungewöhnliches.

Die Schafpferche sind nicht etwa mit Zaun oder einer Mauer „eingezäunt“, sondern mit alten ausgedienten Autowracks. Die Karosserien stehen seitlich aneinandergereiht und bilden eine Mauer. Vermutlich ist dies der günstigste Weg einen Zaun zu bauen :-). 


Endlich haben wir wieder Teer unter den Rädern und es geht runter in Richtung Hauptstrasse. Und dann das: ein mechanischer Schlag aus dem Nichts! Überhaupt kein gutes Zeichen! Wir fahren ein paar Meter und ein weiterer Schlag! Unser erster Gedanke: Getriebeschaden! Wir haben ja auch seit längerem Probleme mit den Gängen und dem Schalten. Wir schalten einen Gang runter und versuchen zu fahren, aber auch hier kommt das mechanische Schlagen! Wir stellen uns schon das Schlimmste vor: monatelang warten auf ein neues Getriebe, Wagen aufladen, etc. etc… Aber nun nehmen wir erst Mal den Gang raus, und können so bis zur Hauptstrasse, direkt auf einen Parkplatz eines Restaurants rollen! Soweit mal Glück gehabt! Wir gehen erst mal essen und überlegen uns was wir machen wollen!

Wir rufen Maryses Bruder Alex an da er sich mit Autos auskennt, aber auch für ihn ist die Ferndiagnose schwer. Ich ziehe meine Arbeitskleider an und krieche unter den Wagen. Das einzige was wir vor Ort machen können, ist das Getriebeöl ablassen und durch den kleinen Einlass und den Auslass prüfen, ob wir was finden. Nichts! Zum Glück! Und wir kriegen ja alle Gänge im Stillstand gut rein! Auch Alex am Telefon meint, dass es vermutlich nicht das Getriebe sei. Mit einem selbstgebastelten Trichter-Einfüllsystem füllen wir die 1.5L Getriebeöl wieder ein. Wir sind übrigens immer noch auf dem Parkplatz des Restaurants und kriegen ab und zu etwas erstaunte Blicke :-).


Unser Plan Richtung Süden zu fahren fällt ins Wasser und wir planen denselben Campingplatz, wo wir vor zwei Tagen waren, anzusteuern. Und so versuchen wir sehr zögerlich weiterzufahren und merken, dass wir nur beim Runterfahren Probleme haben, wenn der Motor bremsen muss. Im Flachen oder Bergauf fährt er wunderbar, zum Glück :-)!

 

19.9.2022

Getap – Azat Reservoir, Armenien

Km: 160

Km Total: 20’720

Wir fahren mit unserem lädierten Iveco los, zurück Richtung Hauptstadt Jerewan. Immer noch sehr vorsichtig, da wir nach wie vor nicht sicher sind was effektiv kaputt ist! Es liegen 140 km vor uns! Die politischen Grenzspannungen bekommen wir auch auf dieser Strecke zu Gesicht. Militär-LKW’s mit z.T. russischen Flaggen (Russland ist die Schutzmacht von Armenien), „Rotkreuz“-Fahrzeuge und sogar UNO Fahrzeuge kommen uns entgegen. Mehr und mehr vertrauen wir unserem Fahrzeug wieder. Flach oder bergauf fährt er normal, immerhin! Jedoch können wir nur ohne Gang im Getriebe den Hang runterfahren! Es ist in dieser Gegend jedoch ziemlich bergig und schon bald steht oben auf einem der Hügel „Motorbremse benützen“! Und genau dies geht bei uns nicht mehr! Wir sind uns der Gefahr von überhitzten Bremsen sehr bewusst und fahren deshalb mit nur 10 km/h (konstant auf den Bremsen da kein Gang drin ist) runter, und runter, und runter! Wir machen mehrmals Pausen damit die Bremsen abkühlen können. Bei einer dieser Pausen rufe ich meinen Mechaniker in der Schweiz an, und auch er meint, es sei vermutlich die Kupplung! Gegen Schluss der Talfahrt ist es aber dann so weit, und das Bremspedal geht fast ins Leere und wir können praktisch nicht mehr bremsen!! Also sofort ausstellen und anhalten! Die eine Bremse ist bereits am Qualmen! Gegenüber ist ein Melonenverkäufer, dem wir von unseren Trauben geben. Trotz harter Gegenwehr schenkt er uns eine seiner Melonen und wir warten 45 Minuten bis die Bremsen wieder kälter sind. Südlich von Jerewan suchen wir die Iveco Garage auf, die wir nur Dank Zufall gefunden haben, da im Internet ein falscher Standort angegeben ist! Der Chef kann zum guten Glück sehr gut Englisch! Sofort gehen wir mit dem Mechaniker (kein Wort Englisch) auf eine 30-Minütige Testfahrt und führen ihm die mechanischen Geräusche und Probleme vor. Der Fall scheint klar zu sein, wir müssen eine neue Kupplung haben! Iveco Armenien sowie auch Iveco Georgien haben nichts an Lager und es wird bereits von langen Lieferzeiten gemunkelt! Doch bei einem weiteren Shop werden sie fündig! Eine Woche Lieferzeit! Das ist absolut OK.

Der Termin für die Reparatur ist abgemacht, wir fahren etwa 20 km zurück in die Natur und gehen an denselben schönen Ort oberhalb eines Stausees wie vor zwei Wochen, um einen Plan für die nächsten Tage zu schmieden.


 

 

20.9.2022

Azat Reservoir, Armenien

Was uns bereits seit einer Weile beschäftigt ist der schlechte Gesundheitszustand von Stefans Vater. Das heutige Telefonat mit ihm gibt uns arg zu denken und wir schliessen einen Unterbruch unserer Reise nicht aus. Wir verbringen den heutigen Tag hier am Stausee, besprechen das weitere Vorgehen und schreiben ausstehende Reiseberichte. Wir beschliessen, morgen auf den nahegelegenen 3G Campingplatz zu fahren und dort die nächsten Tage zu verbringen. Dort könnten wir unseren Iveco im Notfall spontan stehen lassen und zurück in die Schweiz fliegen.

 

21.9.2022

Azat Reservoir – Goght, Armenien

Km: 30

Km Total: 20’750

Der von Holländern geführte 3G Campingplatz ist ein bekannter Treffpunkt für Reisende aus aller Welt. Wir treffen hier auch unseren altbekannten Freund: Frank aus Deutschland, der mit seinem Fahrrad unterwegs nach Hiroshima ist und den wir in der Türkei bereits zweimal getroffen haben. Welch freudiges Wiedersehen! Natürlich lernen wir auch die vielen anderen Weltenbummler kennen, von denen die meisten mit ihren eigenen Fahrzeugen (Camper, Motorrad oder Fahrrad) unterwegs sind.

 

22. – 23.9.2022

Goght, Armenien

Der Parkplatz des Campingplatzes füllt sich nach und nach, und ehrlich gesagt, ist der Stellplatz für die Fahrzeuge alles andere als schön... Vielmehr handelt es sich um einen Parkplatz ohne jegliche Aussicht und die Fahrzeuge stehen nah beieinander. Allerdings wird man dafür entschädigt mit einer grosszügigen Aussenanlage mit Pool, drei voll ausgestatteten und sauberen Küchen, drei Terrassen mit toller Aussicht und einem hervorragenden Sanitärbereich mit Waschmaschine. 

Ein wirklich schöner Ort um sich ein paar Tage auszuruhen, westlichen Annehmlichkeiten zu frönen und vor allem, um sich mit anderen Reisenden auszutauschen. Wir verbringen drei angenehme Tage hier und geniessen die fröhlichen und interessanten Abende mit unseren neuen Freunden aus aller Welt!

 

24.9.2022

Goght, Armenien – Schweiz

Ein Tag der anders endet als erwartet. Morgens um 9 Uhr telefonieren wir mit dem Arzt meines (Stefan) Vaters, der uns erklärt, dass der Zustand sich weiter verschlechtert habe. Somit entscheiden wir uns für eine Rückkehr in die Heimat in den kommenden Tagen. Flug buchen kommt als erstes. Die meisten Flüge verlassen Armenien zu Unzeiten, wie z.B. 3 Uhr morgens! Schlussendlich finden wir einen Direktflug um 21:00 Uhr nach Wien. Das günstigste Angebot ist leider noch heute Abend! Dies bedeutet auch, dass unser Termin in der Iveco Garage für die neue Kupplung hinfällig ist und wir dies verschieben müssen! Also nichts wie los! Wir fühlen uns etwas überrumpelt, sind uns noch absolut nicht bewusst, dass wir unsere tolle Reise unterbrechen werden und schon bald in eine andere Realität eintauchen. Jetzt noch das Hotel in Wien und den Zug in die Schweiz buchen. Erledigt! Den Rest des Tages verbringen wir mit aufräumen, Wassertank entleeren und reinigen, packen, Kühlschrank leeren, Camper umparkieren, Batterien und Solar abhängen, etc. etc… Und natürlich brauchen wir Zeit um uns von den neuen Campingkollegen zu verabschieden. Und los, mit Taxi in einer Stunde zum Flughafen. Leider hat unser Flug über zwei Stunden Verspätung und wir sind, nicht wie geplant, um Mitternacht in Wien im Hotel, sondern erst um 2:15 Uhr in der Nacht.

Gääähn, Schnarch, …, Wecker! Es ist 4:50 Uhr, wir stehen auf, machen uns bereit, laufen 5 Minuten zum Hauptbahnhof und fahren mit dem Zug um 5:30 Uhr los. Unser Sparticket ist der Grund für die frühe Abfahrt. Für nur 120€ / Person reisen wir in 10 Stunden in der 1. Klasse nach Hause! Uns erscheint alles nach wie vor sehr unreal! Eben noch in Armenien am Vanlifen und jetzt schauen wir aus dem Fenster des Zuges. Alles ist perfekt aufgeräumt, alle Häuser und Fahrzeuge scheinen in perfektem Zustand zu sein, Strassen und Brücken machen auf uns einen Eindruck als wäre alles neu und zu guter Letzt vermissen wir die Streunerhunde bereits jetzt schon. Alles in allem für uns eine total andere Welt!

 

25.9. – 4.11.2022

Sechs Wochen zu Hause in der Schweiz

 

5. & 6.11.2022

Schweiz – Goght, Armenien

Es ist Samstag, wir verabschieden uns von der Familie und es fällt uns fast schwerer als vor anderthalb Jahren, obwohl wir nur noch ein halbes Jahr weg sein werden. Trotz des schlechten Zustands meines Vaters (Stefan) entschieden wir uns für eine Rückkehr nach Armenien. Grund dafür ist einerseits, dass wir vor dem Wintereinbruch über die hohen Pässe in den Iran weiterreisen wollen. Ebenfalls ist es für uns wichtig im Frühjahr 2023 definitiv zu Hause zu sein.

Der Zug bringt uns in 10 Stunden nach Wien, wo wir ein Hotelzimmer direkt am Flughafen haben. Und so rollt der nächste Tag an. Der Wecker geht um 3.40 Uhr los und wir sitzen vor 6.00 morgens im Flieger. Mit drei Stunden Zeitverschiebung landen wir gegen 13.00 Uhr nachmittags in Jerewan und sind schlussendlich um 15.00 Uhr bei unserem Iveco!

Was für eine Freude :-). Wir erwecken ihn zum Leben indem wir die beiden Batterien sowie die Solarzellen wieder anschliessen. Alles scheint in Ordnung zu sein. Es ist schön wieder hier zu sein und wir freuen uns auf die Weiterreise.

 

7.11.2022

Goght, Armenien

Wäsche waschen und alles bereitstellen für die Abreise am kommenden Tag.

 

8. – 9.11.2022

Goght – Jerewan – Lusarat, Armenien (Neue Kupplung)

Km: 80

Km Total: 20’830

Wir nehmen die 600 Höhenmeter runter Richtung Jerewan in Angriff. Wie bekannt ist, können wir keinen Gang im Getriebe haben zum Bremsen, da wir sonst mechanische Schlaggeräusche haben!

Nach 10 Uhr kommen wir in der Iveco Garage an. Gleich werden wir in der hauseigenen Mitarbeiterküche eingeladen zu Kaffee. Es dauert nicht lange haben wir zudem ein Vodka (Stefan) und ein Becher Rotwein (Maryse) vor uns. Die Mechaniker nehmen ebenfalls ihr Znüni, bestehend aus 3 Vodkas. Naja, geht jetzt sicher besser :-).

Bis 16:00 Uhr ist dann die alte Kupplung draussen. Eigentlich sieht sie nicht komplett abgenutzt aus, jedoch ist sie sehr rostig und einzelne Federn sind komischerweise lose! Zudem ist ein Lager im Schwungrad defekt. Der erste Tag ist somit beendet, die neue Kupplung kann bestellt werden und der Wagen muss in der Werkstatt nächtigen. Wir dürfen nicht wie geplant hier im Iveco schlafen, stattdessen lädt uns das „Management“ zu einer Hotelübernachtung in der Hauptstadt Jerewan ein. Mitten im Stadtzentrum werden wir nach 30 Minuten Autofahrt, vom „Director“ höchstpersönlich beim Hotel abgeladen. Ein Abendessen in einer hippen Craft-Beer Kneipe lassen wir uns somit natürlich nicht entgehen.


Am nächsten Morgen werden wir wieder abgeholt. Zurück im Iveco-Shop ist die neue Kupplung bereits da und es wird fleissig gearbeitet. Warten und nochmals warten ist angesagt. Gegen 15:30 Uhr ist es dann soweit. Angeblich fertig. Ich, Stefan gehe auf Testfahrt. Die Gänge sind leider noch härter zum Einlegen als vorher und der Rückwärtsgang kratzt immer noch! Immerhin scheint für den Moment das Schlagen beim runterfahren weniger zu sein. Aber eben weniger und nicht weg (mehr dazu im morgigen Bericht)! Der eine Mechaniker meint zu Unrecht die Gänge seien OK. Dann kommt es noch schlimmer und der absolut unfähige Werkstattleiter (angeblich ein Freund des „Directors“) fährt und ich bin auf dem Beifahrersitz. Er knallt die Gänge rein, so dass es jedem, der auch nur ein Hauch von mechanischem Verständnis hat, in den Ohren schmerzt! Dann fährt er den Iveco in die Werkstatt rein und manövriert unseren armen Kerl noch fast in die Grube rein! Nun kümmert sich der junge Mechaniker darum und stellt die Kupplung endlich gut ein und die Gangschaltung fühlt sich seit langem wieder normal an!

Nun die Rechnung. Das Management entscheidet sich dafür, uns die Arbeit zu schenken. Für uns unverständlich, haben doch die beiden Mechaniker je 12 Stunden Arbeit hinter sich. Man kann etwas relativieren, wenn man die Lohnkosten betrachtet. Lohn ca. 350 Franken im Monat, ergibt einen Stundenlohn von 2 Franken; Somit 12 H x 2 Mechaniker x 2 Franken = ca. 50 Franken. Nichtsdestotrotz eine freudige Überraschung, denn verrechnet worden wären uns ca. 250 Franken. Also bezahlen wir 550 Franken für das Material und wollen den beiden Mechanikern dafür ein Trinkgeld geben. Sie wollen absolut kein Geld und so schenken wir ihnen je eine Tafel Schweizer Schokolade :-).


Wir fahren los und kommen nach 30 km an einem uns bereits bekannten Schlafplatz an.

 

10.11.2022

Lusarat – Shaki, Armenien

Km: 200

Km Total: 21’030

Der erste Morgen „on the road“, nach sechs Wochen Reiseunterbruch! Die sonst so erprobte Morgenroutine verläuft noch etwas holprig. Wer macht was und was ist wo? Ein gespenstiger Nebel liegt über der Ararat Ebene, der Herbst hat auch in Armenien Einzug gehalten und unsere Heizung leistet wieder wertvolle Dienste! Nun nehmen wir Fahrt auf, los geht’s in den Süden Armeniens und dem Iran entgegen. Die ersten 100 km der heutigen Strecke kennen wir bereits, mussten wir doch vor sechs Wochen wegen dem Schlaggeräusch am Auto diese Strasse zurück nach Jerewan fahren. Nun kommt die Feuerprobe beim Bergabfahren. Ist das Schlaggeräusch noch da? Bereits nach einigen Sekunden die ernüchternde Antwort: Es ist kein bisschen besser geworden! Genau gleich wie vor der Reparatur! Wir ärgern uns und unsere Stimmung fällt kurz mal auf einen Tiefpunkt! War der ganze Aufwand für nix? Nein nicht ganz, die Gänge können definitiv wieder geschmeidiger eingelegt werden und wir können nun immerhin ausschliessen, dass das Schlaggeräusch irgendwas mit der Kupplung zu tun hat. Auf eine Rückkehr nach Jerewan haben wir definitiv keine Lust und vermutlich würde es auch nichts bringen. So fahren wir abermals ohne Motorbremse vorsichtig den Pass hinab… Wir passieren die wunderbare Berglandschaft rund um Areni und nach 100 km betreten wir endlich Neuland. Wir erreichen den 2345 m hohen Vorotan Pass. Nun geht es gemächlich bergab über eine karge und harsche Hochebene. Nach so viel fahren ist es an der Zeit uns noch ein bisschen die Beine zu vertreten. 

Wir verlassen die Hauptstrasse und besuchen den schönen Shaki Wasserfall, wo wir gleich von fünf Streunerhunden begrüsst werden. Ach, haben wir doch die Hunde in der Schweiz vermisst ;-). Wir müssen uns beeilen, den um 18.00 Uhr wird der Wasserfall abgestellt, d.h. das Wasser wird umgeleitet in ein Wasserkraftwerk! Nach dem kurzen Spaziergang zum Wasserfall gönnen wir uns bei dem kleinen Stand auf dem Parkplatz noch einen armenischen Kaffee. Übrigens wird dieser genau gleich wie der türkische Kaffee zubereitet: Wasser und sehr fein gemahlener Kaffee in einem kleinen Kännchen aufkochen und anschliessend in kleinen Espresso Tassen servieren. Nach ein paar Schlückchen stösst man bereits auf den dicken Kaffeesatz am Boden. Auch ein Säcklein klebrige (evtl. in Sirup) eingelegte Aprikosen erstehen wir an diesem Stand. Ganz in der Nähe finden wir einen super Übernachtungsplatz am Bach.

 

11.11.2022

Shaki – Goris, Armenien

Km: 70

Km Total: 21’100

Nach kurzer Fahrt erreichen wir die nächste Sehenswürdigkeit: Die archäologische Stätte Karahunj, bestehend aus einem Gräberfeld, einer antiken Siedlung und ca. 200 geheimnisvollen aufrechtstehenden Felsbrocken (Megalithe). Letztere haben dem Ort den vielversprechenden Titel „Stonehenge Armeniens“ eingebracht und sind die eigentliche Attraktion der Stätte. Und für das archäologisch ungeübte Auge letztendlich auch das einzig wirklich sichtbare auf dem Gelände :-). 

Lange wurde unter Wissenschaftlern über das Alter und die Funktion dieser Felsbrocken gerätselt. Die Anordnung der Steine und vor allem die in einigen Felsbrocken vorhandenen Löcher führten zu Spekulationen und Kontroversen. Eine Hypothese ist, dass die Löcher zum Transportieren und Aufrichten der Basaltsteine verwendet wurde. Allerdings bleibt dabei ungeklärt, warum nur ein Teil der Steine Löcher hat. Ab den 80er Jahren wurde der Ort von verschiedenen Astrophysikern untersucht, die zu der Überzeugung kamen, dass es sich hier um ein prähistorisches Observatorium handelt (wie Stonehenge). Diese nicht ganz umstrittene Theorie wird bis heute vermarktet. Wie auch immer, für uns war es ein interessanter Abstecher und etwas, was wir so vorher noch nie gesehen haben. 

Das nasse und kühle Wetter lädt allerdings nicht zum Verweilen ein und so machen wir uns bald auf den Weg zum naheliegenden Vorotnavank KlosterBereits von weitem sehen wir die Kirche, thronend auf einem Felsvorsprung in einer breiten Schlucht. Die wenigen, in herbstlichen Farben leuchtenden Laubbäume machen das triste Wetter etwas wett. Das Innere der Kirche ist kahl und grau, es gibt nur wenige farbige Heiligenbilder an den Wänden. Direkt neben der Kirche stehen einige schöne Steinkreuze. 


Das garstige Wetter treibt uns bald weiter und wir fahren unserem heutigen Ziel, der Stadt Goris, entgegen. 

Bei Schneeregen und dickem Nebel fahren wir über die auf 2000 m gelegene Hochebene. Wir gönnen uns in Goris ein leckeres Mittagessen, erledigen Einkäufe und finden etwas oberhalb der Stadt einen Übernachtungsplatz. Wir sind noch immer in dicken Nebel eingehüllt. Was wird uns wohl morgen für eine Aussicht erwarten?


 

12.11.2022

Goris, Armenien

Km: 40

Km Total: 21’140

Morgens um sieben, perfektes Wetter und nicht allzu weit weg sind die Berge schneebedeckt.

Doch schon gegen 8 Uhr umhüllt uns ein grauer Schleier und wir sitzen wieder im Nebel. Wir stehen natürlich nicht schon um 7 Uhr auf ;-), aber zu dieser Zeit lassen wir meistens unsere Heizung an. Draussen ist es in der Nacht mittlerweile unter 0°C, aber wir haben dank unserer isolierten Kabine drinnen 7°C. Heizen ist also angebracht.


Nach 10:00 Uhr (richtig gerechnet, wir benötigen fürs Frühstück, Abwasch und bereit machen etwa 2 Stunden :-)) fahren wir wenige Kilometer zur Geister-Höhlenstadt Khndzoresk (kein Schreibfehler!). Diese Höhlenstadt, gelegen in vulkanischem Sandstein datiert bis ins 13. Jhdt. zurück und war im späten 19. Jhdt. sogar die grösste Stadt im östlichen Armenien. 1931 wurde sie von dem grossen Erdbeben teilweise zerstört und war danach unbewohnt. 

Auf der mehrstündigen Wanderung in dem riesigen Gebiet entdeckten wir nicht nur alte Höhlen oder Kirchen aus dem 17. Jhdt, sondern auch fantastische Steinformationen die uns an Kappadokien erinnern. Wir gehen zurück zum Camper, über die 160m lange Hängebrücke welche über die tiefe Schlucht führt und fahren zurück auf denselben Schlafplatz wie gestern.

 

13.11.2022

Goris – Halidzor, Armenien

Km: 30

Km Total: 21’170

Auf dem Weg hinunter in die Stadt Goris entdecken wir ein fantastisches Kunstwerk der Natur. Mitten in einem Berghang hat sich ein tiefer Graben voller sonderbarer Felsspitzen gebildet. Direkt an die Stadt Goris angrenzend liegt „Old Goris“, eine mittelalterliche Höhlenstadt, die teilweise bis ins 20. Jahrhundert bewohnt war. Wir parkieren den Iveco in der Stadt und laufen zum Ausgangspunkt unserer Wanderung, den grossen Stadtfriedhof, der direkt unter der alten Höhlenstadt liegt. 

Von neuem sind wir erstaunt, wie viel Platz ein armenischer Friedhof einnimmt. Die Gräber sind verhältnismässig gross. Viele werden vermutlich als Familiengräber genutzt, dennoch sind die Dimensionen sehr grosszügig gehalten. Blumen oder sonstige Anpflanzungen gibt es allerdings keine, die Grasflächen werden von den durch den Friedhof streifenden Kühen abgegrast. Auffallend sind auch die auf den Grabsteinen eingravierten Porträts oder Ganzkörperbilder der verstorbenen Personen. Wir fragen uns, wie diese Bilder wohl auf die Steine graviert werden. Jedenfalls ist die Kulisse rund um den Friedhof sehr eindrücklich, bizarre Felsen ragen aus dem Boden und hunderte, von Menschenhand gemachte Höhlen schmücken die Felsen. Ganz klar erinnert uns auch dies an das türkische Kappadokien. Auch hier hat Wind und Wetter seinen Beitrag geleistet und aus den Felsen fantastische Formen erschaffen.

Wir kraxeln durch die Felsen hoch bis auf den Aussichtspunkt und geniessen das Panorama über die Stadt, den Felsenwald und die umliegende Berglandschaft. Leider ist die Aussicht auf der anderen Seite des Hügels weniger beschaulich.

Von einer naheliegenden Mülldeponie wurden hunderte von Plastiksäckchen vom Winde verweht und liegen über ein grosses Gebiet verstreut in der Natur. Grosse Mengen haben sich an den niederen Büschen verhakt und man sieht teilweise vor lauter Plastik die Büsche nicht mehr. Ein trauriges Bild. Wir sind froh, dass wir das Möglichste tun, umso wenige Plastiksäcke wie möglich zu verwenden. Nicht immer einfach, da das Umweltbewusstsein der Leute noch sehr tief ist und die Plastiksäcke sehr verschwenderisch und leichtfertig verwendet werden. 


Auf dem Rückweg führt uns ein freundlicher Hirte durch seinen Schaf- und Ziegenstall, den er in einer grossen, aus mehreren Räumen bestehenden Höhle eingerichtet hat. Gerade wir ein neuer Zaun vor der Höhle erstellt, quasi der Freilaufstall für die Tiere :-). Nach dem Mittagessen spazieren wir noch kurz durch die Stadt. Eine Besonderheit der Stadt sind die aus dem 19. Jahrhundert stammenden Steinhäuser mit hölzernen Balkonen, eine kostbare Rarität, in einem vorwiegend von Sowjetstrukturen geprägten Land. Auffällig ist leider auch der sehr schlechte Zustand der Strassen in der Stadt. Evtl. könnten dies noch Folgen aus dem Karabachkrieg sein, unter dem die Stadt massiv gelitten hat.

Wir fahren noch ein kurzes Stück und finden bald einen tollen Übernachtungsplatz mit super Aussicht über die Vorotan Schlucht. (Der Iveco steht links am Horizont :-) )


 

14.11.2022

Halidzor – Verin Khotanan, Armenien

Km: 40

Km Total: 21’210

Wir beide haben nicht so gut geschlafen. Der starke Wind schaukelte uns hin und her. Aber nichtsdestotrotz steigen wir positiv in diesen Tag. Es ist ja nebenbei auch mein (Stefan) Geburtstag :-). Kaum losgefahren geht’s steil bergab in den Worotan Canyon. Unsere Bremsen sind überhaupt nicht erfreut und heizen sich so richtig auf. Wir sind uns der Gefahr überhitzter Bremsen bewusst, und passen unsere Fahrweise natürlich dem lädierten Iveco an. Dazu kommt momentan noch, dass wir ohne Versicherungsschutz unterwegs sind. Dies nicht etwa um Geld zu sparen, sondern weil wir es etwas versäumt haben, diese in Jerewan zu verlängern. Sie ist während unseres Schweiz-Aufenthaltes abgelaufen und wir haben einfach nicht mehr daran gedacht! Endlich tief unten im Tal angekommen und die Bremsen sind so richtig heiss. Mehr Höhenmeter wären ohne Pause nicht möglich gewesen! Bevor es auf der anderen Seite alles wieder raufgeht, machen wir eine kleine Wanderung bei der sogenannten „Devil’s Bridge“

Die mit natürlichem lauwarmem Wasser gefüllten Becken entlang unseres Weges laden mit all dem Laub und Staub momentan nicht zum Baden ein. Weiter zur kleinen Schlucht, wo sich das Wasser durchquetscht und über Jahrmillionen wunderbare Steinformen erzeugt. Jetzt müssen wir wieder mal abgemagerte Streunerhunde füttern, bevor wir die Serpentinen in Angriff nehmen um aus der Schlucht zu kommen. Im Übrigen fahren momentan auch unzählige LKW’s über diese enge Strasse, da die eigentliche Hauptstrasse wegen des andauernden Armenien-Aserbaidschan Konflikts gesperrt ist. Oben auf dem Hochplateau angekommen finden wir ein tolles Restaurant, mit einem aussergewöhnlich feinen Menu mit vielen vegetarischen Gerichten und feinen Küchlein zum Dessert. Genau passend für meinen Geburtstag. Gleich nebenan besuchen wir das berühmte Kloster Tatev, das wie viele Klöster in Armenien mit einer spektakulären Umgebung trumpfen kann!

In dem Kloster (gebaut im 9. Jhdt.) lebten teilweise bis zu 600 Mönche, die wohl auch die schöne Aussicht regelmässig genossen :-).

 

15.11.2022

Verin Khotanan – Kapan, Armenien

Km: 40

Km Total: 21’250

Heute ist als erstes wieder mal runterfahren angesagt, mit vielen Pausen, wegen den Bremsen. Im Talboden angekommen, führt die Strasse direkt nach Kapan, die grösste Stadt des südlichen Armeniens. Die Gegend rund um Kapan ist reich an Bodenschätzen, die Wirtschaft der Stadt wird vom Bergbau geprägt. In den grossen Minen in der Umgebung wird vor allem Gold, Silber, Zink und Kupfer gefördert. Was uns an dieser Stadt als erstes ins Auge sticht, ist die sehr zahlreiche, in luftiger Höhe wehende Wäsche, die zum Trocknen an langen Seilzügen aufgehängt ist. 

Die Seilzüge werden entweder von Wohnblock zu Wohnblock gespannt oder es gibt in der Mitte der Blöcke eine hohe Stange, an welcher die Seilrollen befestigt sind. Wir finden die Wäscheleinen wunderbar, es bringt etwas Farbe in das triste Stadtbild und wirkt fast wie eine Dekoration! Würde es wohl in unseren Städten auch so aussehen, wenn sich nur wenige einen Tumbler leisten könnten? Ein anderes typisches Exempel aus unserem Reiseleben: Wir kaufen Brot in einer kleinen Bäckerei. Wie fast immer, nehmen wir eines unserer gebrauchten Plastiksäckli mit und probieren der Verkäuferin verständlich zu machen, dass sie das Brot nicht in ein neues, sondern in unser Säckli einpacken kann. Sie wirft einen misstrauischen Blick auf das Säckli, dann ein ungläubiger und kopfschüttelnder Gesichtsausdruck, eine fragende Handbewegung und eine Frage in armenischer Sprache. Wir probieren es mit der einfachsten Antwort „too much plastic“. Sie versteht nur Plastik, schüttelt nochmals den Kopf und steckt das Brot widerwillig in unser Säckli… Wir verurteilen diese Leute nicht, aber wir können nicht nachvollziehen, dass für uns so absolut logische Handlungen, wie das einfache Wiederverwenden von Plastiksäcken, für viele Menschen, in vielen Ländern etwas Unverständliches ist. Schade wird da nicht mehr Aufklärungsarbeit geleistet! Und wir ärgern uns, dass wir den Leuten unsere Beweggründe aufgrund der Sprachbarriere nicht besser erklären können. 

Nicht weit von der Stadt finden wir einen Übernachtungsplatz mit Hunden auf einem Picknickgelände nahe der Kirche Wahanawank. Gegen Abend hallen von der Kirche her schöne Gesänge durchs Tal. Ist dort vielleicht ein Kirchenchor am Proben? Das wollen wir uns ansehen und machen einen kurzen Spaziergang zur Kirche. Leider ist es keine Live-Musik, sondern nur ein Aussen-Lautsprecher der die Musik verströmt. Auch ist in der Kirche nichts Besonderes los, der Grund für die Musik können wir nicht ausfindig machen.


 

16.11.2022

Kapan – Vardanidzor, Armenien

Km: 60

Km Total: 21’310

Schon wieder eine mühsame Nacht! Die drei Hunde weckten uns mehrmals mit ihrem Gebell auf, direkt vor unserer Haustüre. Naja, das gibt’s ab und zu! Ein Morgenspaziergang durch den Wald beim Camper weckt uns nach dem Frühstück ein wenig auf.

Und los, weiter dem Iran entgegen. Von 1000 M.ü.m geht es auf 1800 m ins Städtchen Kadscharan. Zu unserem Erstaunen finden wir trotz der vielen Wohnblöcke und Leuten kein einziges Restaurant und landen schlussendlich in einem winzigen Bistro mit einem Tisch und drei Stühlen, wo wir einen Schaurma (Kaukasischer Dürüm) mit Poulet bekommen. Die Wirtin und die anderen Gäste sind wie so oft sehr neugierig wer wir sind und was wir wohl hier tun. Denn in diese Region Armeniens verirren sich nur noch die Touristen, die auf der Weiterreise in den Iran sind. Der Grund für die vielen Wohnblöcke und Einwohner ist die riesige Kupfer und Molybdän Mine gleich nebenan.

Die Fahrt geht weiter bergauf bis auf den 2535 m hohen Meghri Pass. Mit dem Wissen, dass unser Ziel, die Ortschaft Meghri, auf lediglich 600m liegt, bekommen wir etwas Bauchschmerzen. Ohne Gang im Getriebe 2000 Höhenmeter runter! Wir müssen wohl in Tabriz nicht nur das Schlaggeräusch prüfen lassen, sondern auch noch neue Bremsen besorgen.

Mit Pausen und vorsichtig fahren schaffen wir es bis auf 1100m runter. Jetzt kommt die Suche nach einem Schlafplatz. Wir sind natürlich mit all den wundervollen bisherigen Plätzen etwas anspruchsvoll geworden :-). Nicht zu nahe an der Strasse, weg von der Zivilisation, schöne Aussicht etc. etc.. Die Suche ist etwas mühsam und wir kraxeln über eine Goldminen-Zufahrtsstrasse wieder auf 1400m rauf. Die rostigen Schilder „Zufahrt verboten“ und „Naturreservat“ ignorieren wir. Wenn da LKW’s der Goldmine hin und her fahren, dürfen wir wohl auch noch ein Plätzchen suchen. 50m neben der Strasse finden wir einen Platz, auf dem neue Betonfundamente für einen neuen riesigen Strommast sind. Es hat auf der Strasse kaum Verkehr, dennoch steuert ein Wagen zu uns. Wir erklären ihnen, dass wir Touristen sind und hier schlafen möchten. Sie lächeln, haben Freude und fahren wieder los. Wir haben also eine Übernachtungserlaubnis :-).  

 

17.11.2022

Vardanidzor, Armenien

Vor der Einreise in den Iran wollen wir alle Berichte, Fotos und einfach die gesamte Homepage aktuell haben. Denn im Iran ist das Internet momentan nur auf Sparflamme verfügbar.


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18.11.2022

Vardanidzor – Agarak, Armenien

Km: 30

Km Total: 21’340

Was für ein Tag! Am Morgen jagte es einen Frischwasserschlauch im Stauraum ab und ein paar Liter Wasser flossen in den Camper. Somit verlieren wir eine Stunde mit Kisten ausräumen, Wasser aufnehmen, Kisten einräumen etc.

Nun gut, jetzt noch 800 Höhenmeter runter in die Stadt Meghri, die direkt an der Grenze zum Iran liegt. Wir sehen den Iran und die phänomenale Bergkulisse.


Beim Parkieren kommt ein erschreckender Moment! Im Rückwärtsgang gibt es einen lauten Knall, vermutlich vom Verteilergetriebe! Ist es jetzt soweit und wir stecken fest? Wir fahren vorwärts und können parkieren. Was nun?? Wir gehen erst mal etwas Essen und stellen uns auf den „worst case“ ein! Was ist besser? In den Iran oder hierbleiben? 200km nach Tabriz, Iran oder noch viel weiter zurück nach Jerewan? Kommen wir überhaupt noch einen Kilometer weit? Fragen über Fragen und keine Antworten! Wir rufen Sam an, von der Iveco Garage in Jerewan, wo wir die neue Kupplung herhaben. Er prüft, ohne Erfolg, ob es ein Verteilergetriebe gäbe in Armenien. Er rät uns nach Iran zu gehen, da dort die Chancen höher seien unser Getriebe reparieren zu können. Wir fahren also los mit dem Gedanken, dass uns jeden Moment das Verteilergetriebe um die Ohren fliegt! Wir können aber wieder einigermassen normal fahren und steuern das nahegelegene Grenzdorf Agarak an. Die Strasse führt direkt an der Grenze entlang und wir fühlen uns etwas eigenartig. Es wimmelt nur so von Beobachtungsposten, Kameras, russischem und armenischem Militär und hohen Stacheldrahtzäunen dem Fluss entlang. Trotz der absolut spektakulären Berglandschaft lassen wir das Fotografieren besser sein :-). In Agarak angekommen, gehen wir noch tanken. Gas zum Kochen und Heizen und etwas Diesel. Eigentlich schwachsinnig, wenn man weiss, dass der Liter Diesel hinter der Grenze wenige Rappen kostet. Mehr zu den Gründen dazu, wenn wir im Iran sind.

Bei Samuels Hostel parkieren wir dann für 10 Franken und werden gleich eingeladen zu Kaffee, viel Granatäpfel und getrockneter Kaki-Frucht.

Die Grenze ist in Sichtweite und wir bereiten uns endgültig für den bisher spannendsten Grenzübertritt der Reise vor.


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