Iran Teil 1, Nordwesten

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19.11.2022

Agarak, Armenien – Marand, Iran

Km: 150

Km Total: 21’490

Eine ruhige Nacht haben wir verbracht. Wenige hundert Meter neben der Grenze und einen Meter neben dem Stacheldrahtzaun, der Samuels Hostel von einem Militärübungsgelände trennt. Wir verabschieden uns und steuern gegen 10.30 Uhr die Iranische Grenze an. Hoffentlich geht unser Getriebe nicht im Niemandsland kaputt!

 

Grenzübertritt:

Es herrscht Chaos pur. Neben uns und einem teuren BMW sind nur LKW’s zu sehen. Wir quetschen uns durch, fahren allen vor und kommen an den ersten Posten. Ein Russe, nicht etwa ein Armenier, kontrolliert unsere Pässe und auch unser Iran Visum bevor er uns weiter lässt. Und wieder hat es nur LKW’s. Wir haben keine Ahnung wohin. Wir stellen unser Wagen beim ersten richtigen Gebäude ab, gehen rein und fragen uns durch wo es wie weitergeht. Hier wird nur unser Zolleinfuhrdokument des Iveco bearbeitet und eine erste kurze Fahrzeugdurchsuchung findet statt (der teure BMW wird viel intensiver durchsucht als unser Wagen :-) ). Als nächstes fahren wir weiter bis zum nächsten kleinen Gebäude. Es herrscht übrigens immer noch Chaos und man hat das Gefühl, dass hier nichts wirklich organisiert ist. Hier werden nun die Pässe überprüft und abgestempelt. Mein (Stefan) Pass wird übrigens mit der Lupe unter die Lupe genommen ;-). Das Auto wird nochmals schnell überprüft und wir werden gefragt, ob wir Alkohol dabeihaben. Warum uns das die Armenier fragen, ist nicht ganz klar. Die Ausreiseprozedur dauerte 1H10Min. Wir fahren über die Brücke und den Grenzfluss und betreten Iranisches Gebiet. Nun kommt der heiklere Teil, die Einreise. Auf dieser Seite geht das unorganisierte und chaotische Treiben weiter. Wir stellen den Wagen beim ersten kleinen Gebäude ab und müssen zu Fuss 20 Meter laufen. Jetzt werden unsere Pässe und die Visa begutachtet und wir bekommen einen Stempel auf unsere Visa. Das Visum ist übrigens nicht im Pass drin, sondern ist ein A4 Ausdruck. Somit hat man auch weniger Probleme in weitere Länder wie Israel einzureisen. Auf dem Rückweg zum Iveco wird Maryses Pass von einer Frau in einem separaten Häuschen nachkontrolliert und mein Pass, im Gebäude wo der Iveco steht, von einem Mann. Alle Zollbeamten sind äusserst freundlich und mehrmals hören wir ein lächelndes „Welcome to Iran“. Wir fahren 100m weiter und stehen nun vor dem Zollgebäude. Ein Mann schaut sich unsere Sachen kurz an und sagt, wir müssen von allem eine Kopie machen. Also wieder raus und um die Ecke zum zolleigenen Kopierbüro. Alles wird kopiert. Wir können natürlich nicht in Iranischen Rial bezahlen, also drücken wir ihm unsere zweitletzte 1000er Note von Armenien (2.50 Franken) in die Hand. Er nickt und meint das sei OK. Wieder zurück ins Gebäude, und nun wird endlich unser Carnet de Passage (Pass vom Fahrzeug für eine zollfreie Ein- und Ausfuhr) ausgefüllt und abgestempelt (leider etwas falsch), und wir bekommen einen kleinen Zettel, der bestätigt, dass wir bei der letzten Schranke ausreisen dürfen (so denken wir). Unser Wagen wird übrigens nicht einmal durchsucht oder angeschaut und wir werden auch nicht gefragt, ob wir Alkohol dabeihaben. Wir fahren also zur Schranke und werden nicht durchgelassen. Der Mann erklärt uns mehrmals, dass wir nicht durchfahren dürfen und wieder zurück ins andere Gebäude müssen. Verwirrt fahren wir zurück und ich gehen zum selben Mann, der das Carnet de Passage abstempelte. Er erklärte mir in sehr schlechtem Englisch ich müsste zurück. Aber wohin? Ich verstehe nichts. Nach dem dritten Mal nachfragen, schickt er einen Jungen mit mir. Der Junge und ich laufen 100 Meter weiter zurück und kommen zu irgendeinem Container mit einem Fenster (überhaupt nichts angeschrieben). Hier wird nun die Autonummer und ein paar andere Infos in einen Computer eingegeben. Zurück zum Iveco und der nächste Versuch. Und siehe da, die Schranke wird geöffnet und wir dürfen endlich raus aus dem Getümmel! Ausreise 1H20Min, also Grenzübertritt insgesamt 2.5H. Ist OK.  

 

Geldwechseln:

Endlich losfahren! Die Landschaft mit seinen steilen rötlichen Felsen auf beiden Seiten ist phänomenal! Wir halten uns natürlich zurück mit fotografieren, da wir uns in einem Grenzgebiet befinden. Wir fahren dem Grenzfluss entlang Richtung Westen, in Richtung Jolfa. Die ersten Kilometer entlang der Grenze zu Armenien, aber schon bald entlang der Grenze zu Aserbaidschan. In Jolfa angekommen wollen wir endlich Geld. In Iran ist das anders als bisher. Wegen der Sanktionen sind Bankomaten für uns nicht zugänglich. Und Dollar wechseln auf einer Bank ist auch keine gute Idee. Wir steuern also ein „Money Change“ Büro an. Im Internet machten wir uns vor ein paar Tagen etwas schlau über den inoffiziellen Wechselkurs. Uns wird in etwa das angeboten, was wir im Internet herausfanden. 1$ gibt 340'000 Rials. 8-mal mehr als der Offizielle Kurs auf den Banken (42'000 Rial / $)!

 

Autoversicherung:

Mit einem Riesenbündel Noten im Wert von 34 Millionen Rial verlassen wir das Städtchen Jolfa und fahren Richtung Süden, in Richtung Marand, eine 800'000 Einwohner Stadt.

Kurz vor Marand, beim Gangwechsel in den fünften Gang, dringt ein Kratzgeräusch vom Getriebe hoch in unsere Ohren! Ach du meine Güte, nochmals ein neues Geräusch! Inzwischen haben wir seit 1000 km beim Runterfahren ein Schlagen, dann kam kurz vor der Iranischen Grenze der Schlag beim Rückwärtsfahren dazu, und nun ein massives Kratzen beim Gang einlegen! Irgendwann bleiben wir sicher noch mit einem Getriebeschaden stehen!! Mit vorsichtig fahren, schaffen wir die letzten Kilometer nach Marand, und es geht direkt in ein Versicherungsbüro, damit wir unsere Autoversicherung abschliessen können! Es ist 16:30 Uhr und das Büro schliesst um 16:00. Naja Pech gehabt, doch da kommt ein Mann vom Nachbargebäude und meint wir sollen warten.

Er telefoniert, und zwei Minuten später kommt prompt eine junge Frau und öffnet das Büro für uns. Simis heisst sie und begrüsst uns voller Freude. Sie kann kaum Englisch, ruft aber ihren Cousin an, der ebenfalls wenige Minuten später im Büro ist und Englisch spricht. Und so lernen wir neben Simis auch Reza kennen. Sofort gibt’s natürlich Tee und Süssigkeiten. Das lösen der Versicherung dauert eine Stunde, auch wegen dem reduzierten Internet. Die Versicherung kostet 100$, was wir relativ viel finden. 


Anscheinend weil unser Wagen gross und alt ist. Hier ist die Versicherung für ältere Fahrzeuge höher als für neuere, möglicherweise da man mit älteren Fahrzeugen mehr Unfälle hat.  

Wir erwähnen Reza gegenüber noch unser Problem mit dem Fahrzeug. Fast wie zu erwarten war, kennt er eine Garage. Wir verabschieden uns von Simis, ziehen los und fahren Reza, mit einem kaum fahrbaren Iveco, im chaotischen Feierabendverkehr, hinterher! Die Garage kann uns natürlich nicht weiterhelfen, und es wird uns empfohlen in Tabriz zu schauen. Reza führt uns gleich wenige 100m weiter, auf einen Parkplatz, wo wir nächtigen können. Dieser gehört zum Restaurant seines Vaters und wir werden herzlichst empfangen von einigen älteren Herren, die in dem grossen Lokal sind. 

Tee und Datteln kommen sofort und wir plaudern mit den Herren. Reza erzählt uns von seinem Tanzunterricht und viel vom Militär. Er will nicht ins Militär, sondern leistet lieber Militärausgleichszahlungen. Ein interessanter Abend! 

Jetzt wird aber erst mal Abendessen bestellt. Wir sind jetzt aber nur noch zu zweit am Tisch, und bekommen etwas Leckeres aufgetischt. Die Gastfreundschaft ist überwältigend und wir werden auch gleich zum Essen eingeladen.


Jetzt wollen sie noch einen Abschleppdienst für morgen organisieren. Uns wird es langsam etwas zu viel :-). Und da ist der Abschleppdienst schon, und schaut sich unseren Wagen an. Wir müssen ihm nochmals klarmachen, dass wir den Wagen aufladen möchten, nicht abschleppen (es kratzt auch im Leerlauf). Dann winkt er ab, der Wagen sei zu schwer für sein Abschleppfahrzeug. Nun wollen die Iraner unseren Wagen von innen sehen und wollen wissen, was wir denn eigentlich für ein Problem haben. Ein riesiger Tumult, vier freundliche Iraner zusätzlich im Iveco, wir fahren noch mit der ausgefahrenen Treppe in ein Tor rein, und die Testfahrt beginnt! Und wie könnte es anders sein? Der Iveco fährt wunderbar, da alles abgekühlt ist! Wir einigen uns, dass wir morgen versuchen, selbst nach Tabriz zu fahren. Wir können uns endlich verabschieden und in unser Häuschen schlafen gehen! Was für ein erster Tag! 

 

20.11.2022

Marand – Tabriz, Iran (Fahren mit defektem Getriebe)

Km: 80

Km Total: 21’570

Nach dem etwas turbulenten Abschluss des gestrigen Abends, haben wir dann doch ganz gut geschlafen. Wie abgemacht, besucht uns Reza am Morgen nochmals. Er möchte uns noch etwas zum Morgenessen bringen, doch wir sind früh aufgestanden und haben bereits gefrühstückt. Wir wollen möglichst bald aufbrechen in Richtung Tabriz, möchten aber vorher noch eine SIM Karte organisieren. Uns wäre wohler, wenn wir für die Fahrt zumindest telefonisch ausgerüstet wären. Wir fragen Reza, ob er uns dabei helfen könnte. Er willigt ein, doch zuerst bringt er seine 6-jährige Cousine zur Schule, die gleich nebenan wohnt. Sobald er zurück ist, hüpfen wir in sein Auto und fahren zum nächstgelegenen SIM Karten Shop. In dem winzigen Laden gibt der Verkäufer unsere Daten in den Computer ein und wundert sich, dass die Namen unserer Väter nicht auf den Pässen ersichtlich sind :-). In vielen Ländern ist dies ein wichtiger Bestandteil der Personalien! Unser Vorhaben scheitert dann jedoch; nicht wegen den fehlenden Namen, sondern weil Touristen erst nach 72 Stunden nach Einreise eine SIM Karte erwerben können. Was die Gründe dafür sind wissen wir nicht, jedenfalls ist es für uns heute noch zu früh. Zurück beim Iveco nehmen wir Abschied von unserem liebgewonnenen Reza. Schon am ersten Tag im Iran durften wir in den Genuss der grosszügigen iranischen Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft kommen! Als kleines Dankeschön überlassen wir ihm ein kleines Schweizer Taschenmesser :-). So fahren wir mit mulmigem Gefühl los, in der Hoffnung, dass wir es bis ins 80 km entfernte Tabriz schaffen. Doch wie bereits geahnt, hören wir schon nach 10 km wieder das mahlende-knirschende Geräusch vom Getriebe her! Wir haben echt Angst, dass, wenn wir weiterfahren, es vielleicht gröbere Folgeschäden im Getriebe geben könnte. Und so starten wir den zweiten Versuch, ein Abschleppfahrzeug zu organisieren: Wir laufen zum nächstgelegenen Gebäude, ein grosses Fabrikgelände, wo wir am Eingangstor dem Pförtner/Sicherheitsmann per Google-Translate und Zeichnungen unser Anliegen erklären. Er versteht was wir wollen, macht uns erst mal einen Tee, bis ein zweiter Pförtner kommt und einige Telefonate getätigt werden. Es wird uns mitgeteilt, dass die Abschleppaktion nach Tabriz uns 227 Dollar kosten wird. Ob wir damit einverstanden sind? Nun, das ist für hiesige Verhältnisse recht viel, aber was bleibt uns anderes übrig? Wir willigen ein und erklären ihm, dass wir beim Auto warten. Wir freuen uns schon, dass es mit dem Autoaufladen nun doch klappen wird. Nach 40 Minuten warten, überbringt uns der Pförtner dann die Hiobsbotschaft: unser Auto sei nun doch zu schwer für den Abschleppwagen! Verflixt und zugenäht! Wieder dasselbe Problem! Er bietet uns an, einen Mechaniker kommen zu lassen, der sich die Sache anschaut. Das wollen wir nicht, da wir in Tabriz einen Mechaniker „kennen“ (aus der iOverlander App), der sich mit Allradfahrzeugen gut auskennt und andere Reisende dort gute Erfahrungen gemacht haben. Zudem ist Tabriz die grösste Stadt in der Umgebung und die Wahrscheinlichkeit, dass man allfällig benötigte Ersatzteile auftreiben könnte, ist hier am grössten. Und da wir noch halbwegs fahrtüchtig sind, nehmen wir das Risiko auf uns und fahren wieder vorsichtig los. Immer wieder knirscht es beunruhigend im Getriebe! Wir sind sehr langsam und vorsichtig unterwegs, teilweise können wir auf dem unbefestigten „Pannenstreifen“ fahren, teils müssen wir mitten im Verkehr der stark befahrenen Hauptstrasse fahren. Der Verkehr im Iran ist absolut chaotisch und unberechenbar! Uns fällt auf, dass es hier eigentlich nur Personenwagen oder Lastwagen gibt. Kleinere Transporter und Vans, in der Gewichtsklasse unseres Ivecos, fehlen gänzlich. Folglich gibt es natürlich auch keine Abschleppwagen dafür! Dort ist also der Hund begraben! Stefan hat mittlerweile beim Runterfahren eine Fahrtechnik entwickelt, mit dem er das Geräusch etwas unterbinden kann: Gas geben und Bremsen gleichzeitig! Sehr effizient ;-). Eine kleine Aufmunterung ist die teils fantastische, rötlich melierte und erodierte Hügellandschaft, die sich direkt neben der Strasse erhebt. Langsam knurren unsere Mägen und wir wagen den ersten Restaurantbesuch im Iran. 

Da es keine Menükarte gibt und niemand Englisch spricht, schauen wir uns im Raum um, was die Leute auf den Tischen haben. Wir bestellen eine Art Eintopf mit Fleisch (Schaf), Kartoffeln und Kichererbsen, der in einem kleinen bauchigen Töpfchen serviert wird. Dazu gibt es einen Stampfer, mit dem man das Ganze zerdrücken kann. Eigentlich ein ganz leckeres Menu, wären da nebst den weichgegarten Fleischstücken nicht auch noch drei grosse, aus purem Fett bestehenden Stücke im Töpfchen! Diese können wir beide, bei bestem Willen, nicht essen. Wir wickeln diese in ein Stück Fladenbrot ein und schmuggeln sie so aus dem Restaurant :-). Da wird sich ein Hund darüber freuen! Nach gut drei Stunden sind wir endlich in Tabriz! Jetzt müssen wir nur noch diesen Mechaniker finden. Wir fahren auf einer grossen dreispurigen Hauptstrasse, verpassen den ersten U-Turn und versäumen Zeit mit einem zusätzlichen Umweg. Und dann sind wir endlich da, im Stadtteil Dieselabad, wo es hunderte kleinere oder grössere Autowerkstätten und Ersatzteilgeschäfte für Dieselfahrzeuge gibt. Wir stellen unser Fahrzeug ab und versuchen anhand der Karte auf der iOverlander App die richtige Werkstätte zu finden. GPS funktioniert leider nicht akkurat und so stehen wir erst Mal ziemlich ratlos vor den Reihen von Werkstätten. Wir wissen nur den Namen des Mechanikers und die Telefonnummer. Also fragen wir einen daherkommenden Mann, ob er uns helfen kann. Er versteht nicht was wir wollen; ein zweiter Mann, der etwas Englisch spricht, kommt dazu. Sofort zückt er sein Telefon und wählt die Nummer, die wir ihm angeben. Nach 30 Sekunden winkt uns Yusef zu, endlich haben wir ihn gefunden! Seine Englischkenntnisse sind sehr bescheiden, doch er versteht, dass wir Probleme mit dem Getriebe haben. Sofort holt er Werkzeug, liegt unters Auto und lässt ein wenig Getriebeöl ab. Er meint, das Getriebe sei in Ordnung, es gäbe keinen Abrieb im Öl. Bei einer Probefahrt, können wir ihm dann das Geräusch demonstrieren. Sofort ist für ihn klar, dass es sich um ein Problem im Verteilergetriebe handelt. Wir könnten den Iveco direkt vor der Werkstatt abstellen, doch heute habe er keine Zeit mehr etwas daran zu machen. Das ist absolut in Ordnung für uns ;-). Übrigens können wir mittlerweile auch den Rückwärtsgang nicht mehr einlegen und müssen den Iveco aus der Parklücke rausschieben! Wir schauen uns etwas in der Werkstatt um. Es handelt sich um einen kleinen Raum mit zwei Werkbänken, einem kleinen Tisch und gaaanz vielen Getriebeteilen. 

Mit einem kleinen Wägelchen transportieren zwei Mitarbeiter von Yusef gerade ein Lastwagengetriebe in die Werkstatt, wo es geöffnet und repariert wird. Irgendwie haben wir uns die Garage anders vorgestellt, dennoch überkommt uns das Gefühl, dass wir genau am richtigen Ort gelandet sind! Hier kennt man sich definitiv aus mit Getrieben. Hinter der Werkstatt gibt es einen grossen ölverschmierten Platz, wo die zu reparierenden Lastwagen verschiedener Werkstätten stehen. Zum Zeitvertrieb laufen wir eine Runde im Quartier und auf dem Rückweg spricht uns eine Gruppe von fünf Männern an. Sie seien von der Polizei, einer zeigt uns einen Ausweis, den wir nicht lesen können, da er nur auf Farsi geschrieben ist. Wir sind baff, mit der Polizei hätten wir hier wirklich nicht gerechnet, und erst noch in Zivil und zu fünft! Einer der fünf Männer spricht etwas Englisch. Sie wollen unsere Pässe und Visa sehen. Wir sind ein wenig nervös, auch wegen der aktuell angespannten Lage im Iran. Wir laufen mit ihnen zum Iveco und reichen ihnen unsere Dokumente. Sie wollen wissen, was wir hier machen, wie lange wir bleiben etc. Grundsätzlich sind sie sehr freundlich, lachen und haben Freude an uns. Aber irgendwie finden wir sie fast etwas zu freundlich… Was uns auch sehr schräg einfährt ist, dass uns einer der „Polizisten“ während dieser Kontrolle die ganze Zeit mit dem Handy filmt und unsere Pässe, Visa und Fahrzeugdokumente fotografiert werden. Auch unsere CH-Telefonnummer müssen wir angeben. Alles ist in Ordnung mit unseren Dokumenten und sie erklären, dass die Kontrolle nur zu unserer Sicherheit sei. Zum Abschluss wird noch ein Foto mit uns und einem der „Polizisten“ gemacht. Dieses kuriose Erlebnis müssen wir erst Mal verdauen und Revue passieren lassen. Falls uns dies so nochmals passieren wird, wollen wir diesen Ausweis dann doch mal etwas näher anschauen und auch fragen, wieso wir gefilmt und fotografiert werden. Dieses Mal waren wir so überrumpelt, dass wir uns einfach gefügt haben. Die Nacht verbringen wir vor der Werkstatt im Iveco.  

 

21.11.2022

Tabriz, Iran (Tag 1 in der Werkstatt)

In unserer ersten Nacht in Tabriz haben wir neben der riesigen Hauptstrasse überraschend gut geschlafen. Ich (Stefan) nehme nach dem Morgenessen bereits einen ersten Unterfahrschutz weg. Nun kommt Yusef und es geht los. Der etwa 55-jährige Mann ist topfit. Grube, Lift oder Kran sucht man vergebens, Handarbeit ist angesagt! Ich fahre über zwei alte Blattfedern auf ausgediente LKW Felgen hoch und in 1.5H sind Antriebswellen und Verteilergetriebe unten! Das Verteilergetriebe wird geöffnet und schnell wird offensichtlich woher das Kratzen kam! Bei der Gabel, die für das Einlegen der Reduktion verantwortlich ist, fehlen die Kunststoffbügel und die Gabel wurde angefressen. Somit hatte ein Zahnrad viel zu viel Spiel und war nicht mehr richtig im Eingriff und kratze! 

Wir hatten Glück, sind wir nicht komplett stehen geblieben vor Tabriz. Nun, wegen der Sanktionen gibt’s für unseren Iveco keine neuen Ersatzteile. Aber dafür sind die Leute im Iran extrem gut im Reparieren. Aber wie kann man eine solche Gabel reparieren? Die angefressenen Enden der Gabel abfräsen, neues Alu aufschweissen, und neue Nuten reinfräsen. Übrigens macht Yusef diese Arbeiten nicht selber. Er steigt auf sein Fahrrad und radelt in Dieselabad (heisst übersetzt Dieseltown) zu einem anderen Shop, um dies zu erledigen. Leider können neue Ersatz-Einsätze (ehemalige Kunststoffbügel) heute nicht mehr gefertigt werden, und so gehen wir um 16:00 Uhr erstmal in ein Hotel. Wir haben zum ersten Mal Internet im Hotel, bemerken jedoch schnell, dass unser 15 Franken VPN nicht funktioniert (VPN wird verwendet, damit man auf alle Internetseiten Zugriff hat. Gewisse Seiten wie Google oder Facebook sind in diesem Land sonst gesperrt). Im Hotel wird uns aber prompt geholfen und ein anderes kostenloses VPN ist innert einer Minute installiert und funktioniert. Zum Abendessen gönnen wir uns in einer kleinen Bude eine Pizza während der Fussballmatch Iran – England im TV läuft.

 

22.11.2022

Tabriz, Iran

Km: 20

Km Total: 21’590

Wir müssen zugeben, dass das Übernachten im Hotel doch etwas angenehmer war als im Iveco neben der stark befahrenen Strasse ;-). Für knapp 20 Franken hatten wir ein ganz passables Zimmer inkl. Frühstück. Wer allerdings ausschlafen möchte, ist hier an der falschen Adresse. Um 8.00 Uhr morgens beginnen im Hotel die laufenden Renovationsarbeiten mit Vorschlaghammer... Da wir im Hotel die einzigen westlichen Touristen sind, fallen wir im Frühstücksraum auch dementsprechend auf. Wir werden beäugt wie bunte Hunde. Daran müssen wir uns erst Mal wieder gewöhnen, denn in Ländern wie dem Iran, sticht man als Tourist natürlich aufgrund der etwas anderen Kleidung besonders hervor. Auch hat es verhältnismässig immer noch sehr wenige Touristen im Iran. Gewiss haben wir uns vorschriftsgemäss angepasst: Kopftuch und ein langes Kleid sind für mich (Maryse) leider Pflicht. Hierzu noch ein kurzer Exkurs zum sehr brisanten Thema Kleidervorschriften: Hier in der Stadt tragen viele Frauen ihr Kopftuch sehr weit hinten, zeigen also viel Haar. Dies war auch bereits bei unserer ersten Reise vor 10 Jahren so. Auch sonst entspricht die Kleidung nicht immer ganz dem islamischen Gesetz. Natürlich gibt es aber auch sehr viele konservativ gekleidete Frauen. Viele tragen sogar den Tschador, das schwarze weite Ganzkörpergewand. Was für uns ganz neu ist, dass wir einzelne Frauen ohne Kopftuch sehen, was sicherlich im Zusammenhang mit den aktuellen Protesten steht. Nun wieder zu unserem heutigen Tag. Bevor wir zurück zur Werkstatt fahren, wollen wir mit dem Taxi in die Stadt, um endlich eine SIM Karte zu besorgen. Vor dem Hotel stehen wir an die Strasse, ein Auto hält (kein Taxi) und bringt uns zum gewünschten Ort. Ob dies ein privates „Taxi“ war oder einfach ein Mann, der in diese Richtung fuhr und sich etwas dazuverdienen will, wissen wir nicht. Die SIM Karte erhalten wir gegen Unterschrift und Fingerabdruck problemlos! Nun wollen wir noch kurz durch den grossen Basar streifen. Doch vorher entdecken wir einen kleinen Stand, der mit Kartoffeln, Eier und frischen Kräutern gefüllte Fladenbrote anbietet. Endlich ein leckerer vegetarischer Snack! Hier spricht uns ein Mann in gutem Englisch an, stellt die üblichen Fragen „woher, wie lange, wohin“ und lädt uns ein zum Tee in sein Büro. Wir landen im Tourismusbüro und werden dort vom Bruder dieses Mannes auf Deutsch freundlich begrüsst. Er ist der Leiter des Tourismusbüros und versorgt uns mit vielen Informationen, einem Stadtplan und seiner Telefonnummer. Nun aber weiter zum riesigen Basar. 

Dieser ist natürlich wie so oft ein Highlight! Wir tauchen ein in das Labyrinth aus schmalen Gässchen voller kleinen Läden mit wunderbaren Auslagen von Gewürzen, getrockneten Früchten und Nüssen, Teppiche, Kleider, Haushaltswaren und vieles mehr. Nicht nur die angebotenen Waren sind faszinierend, auch das Basar Gebäude selbst ist beeindruckend, Teile davon stammen aus dem 15. Jahrhundert. Wir haben leider nur kurz Zeit, dann geht’s per Taxi direkt zurück zu Yusef. Wir sind wohl etwas zu spät, denn Yusef hat das Verteilergetriebe bereits wieder zusammengesetzt. Schade, wir hätte gerne die neu angefertigten Messingeinlagen an der Gabel noch inspiziert. Da wir nicht die einzigen Kunden bei Yusef sind, muss die Montage des Getriebes noch etwas warten. Übrigens gibt es noch einen weiteren Bewohner der Werkstatt: „Gere“, die schwarze Werkstattkatze. Nichtsahnend streicheln wir Gere bei unserer ersten Begegnung, aber irgendwie fühlt sich das Fell eigenartig an. Schnell sehen wir warum: Yusef und seine Mitarbeiter streicheln die Katze während der Arbeit mit öligen Händen! Demnach ist auch das Fell des armen Tiers ziemlich ölig geworden… Zum Glück ist Gere von Natur aus schwarz (denken wir jedenfalls) :-). Am späteren Nachmittag geht’s dann an die Arbeit. Yusef und Stefan stemmen das Verteilergetriebe gemeinsam hoch und innert kurzer Zeit ist es fachmännisch montiert. Alles unter Aufsicht von „Gere“, der sich oft in der Nähe von Yusef aufhält :-). 

Jetzt die Testfahrt! Rückwärtsgang funktioniert, Kratzgeräusch ist weg und auch das Schlagen beim Abwärtsfahren scheint weg zu sein. Super! Zufrieden fahren wir zurück, trinken zum Abschluss einen Tee zusammen und kommen dann endlich zur Rechnung. Yusef verlangt für die gesamte Arbeit nur 100 Dollar! Da fragt man sich schon, wie die Leute hier überleben können! Nun geht’s ans andere Ende der Stadt, auf den Parkplatz eines Parks, der bekannt ist zum Campen, auch bei Iranern. Wir fahren sehr vorsichtig, trauen der Sache noch nicht ganz. Und dann, es fährt uns durch Mark und Knochen, der Schlag beim Abwärtsfahren! 

Er ist noch immer da! Wir haben es ja irgendwie geahnt, dass dieser Schlag nichts mit der defekten Schaltgabel zu tun hat. Wir wissen somit, wie unser morgiger Tag aussehen wird! Yusef wird sich freuen… Wir kommen gut auf dem Parkplatz an und sind überrascht, dass sich noch drei weitere Camper dort aufhalten. Zwei welsche Schweizer und ein Franzose, alle drei Familien mit Kindern. Der Platz ist super zum Campen, ruhig, mit WC und Wasser. Aufgrund der Jahreszeit ist der Platz ansonsten leer.


 

23.11.2022

Tabriz, Iran

Km: 20

Km Total: 21’610

Am späteren Vormittag klopfen wir wieder bei Yusef an. Halli-Hallo, wir sind es wieder. Yusef steigt gleich in den Wagen ein und wir führen ihm das Schlaggeräusch vor. Wir konnten ihm dieses Geräusch vorher gar nicht vorführen, da das andere Kratzen viel dominanter war. Er lässt ein wenig Getriebeöl ab und prüft ob Abrieb sichtbar ist. Das Öl ist sauber, und das bedeutet für Yusef, dass das Getriebe in Ordnung ist. Da er voll zugedeckt ist mit anderer Arbeit, versucht er uns zu überreden so weiterzufahren. Es werde schwierig das Problem zu finden und zu reparieren, und er könne eventuell erst in ein paar Tagen mit der Arbeit beginnen. Wir bleiben hartnäckig und erklären ihm, dass wir Angst haben stehen zu bleiben und wir in einer misslichen Situation sind. Yusef denkt nach… Er lacht, lässt einen Spruch fallen und entscheidet sich, noch an diesem Tag anzufangen! Wir sind enorm dankbar, denn wir wissen, dass er viele andere Kunden hat die z.T. bereits in seiner Werkstatt warten. Yusef schlägt vor einen Blick in das Schaltgetriebe zu werfen, obwohl es laut ihm OK ist. Vor der Arbeit gehen wir in die nebenanliegende Mechaniker-Kneipe, um etwas zu essen. Die Angestellten freuen sich, uns wiederzusehen und wollen Fotos mit uns zusammen machen.

Und jetzt wird Stück für Stück am Iveco demontiert. Zu erwähnen ist, dass Yusef auch immer wieder auch an anderen Fahrzeugen etwas macht. Das Verteilergetriebe als erstes, dann das Hauptgetriebe. Meine (Stefan) Gedanken: Will Yusef das wirklich von Hand runternehmen? Kann ja nicht sein! Aber doch, es wird gehebelt, gerüttelt und Yusef und ich unter dem Getriebe, das uns nächstens entgegenkommt!

Frohen Mutes singt Yusef ab und zu und findet das Ganze, im Gegensatz zu mir, noch lustig :-). Und da kommt das Getriebe: auf Füssen und Beinen von Yusef abgestützt, bringen wir es zu Boden. Geschafft! Und doch hatte Yusef immer recht, als er sagte, das Getriebe sei in Ordnung! Alles sieht gut aus! Aber woher kommt dieser brutale Schlag beim Runterfahren?? Dieses Rätsel lassen wir für heute ruhen. Wir ziehen los in Richtung Hotel. Taxi suchen wir vergebens und entschliessen uns, eine Stunde zu Fuss zu gehen. Tut auch gut. Leider bemerken wir erst kurz vor dem Hotel, dass wir die Pässe und Visa im Camper liegen liessen! Das wichtigste haben wir vergessen. Die sehr freundliche junge Rezeptionistin muss die Pässe haben, obwohl wir vor zwei Tagen bereits hier übernachteten. Gesetz ist Gesetz. Also schnappen wir uns ein Taxi, fahren nach Dieselabad und zurück zum Hotel. Auf der knapp einstündigen Fahrt reden wir mit dem jungen Fahrer über Politik und die Situation im Iran. Er hat jegliche Hoffnung auf Änderung aufgegeben und sieht ohne Perspektiven in die Zukunft! Ich frage ihn, ob er eine Freundin hat? Er lacht, bejaht die Frage, und meint, dass es natürlich eine geheime Beziehung sei, wo alle beteiligten Elternteile nichts davon wissen dürfen! Beim Bezahlen meint er mit runtergehangenem Kopf: „700'000 Rial, 2$“. Für uns absoluter Wahnsinn, 50 Minuten Taxifahrt für 2$. Wie können die Leute überhaupt leben?? Kurzerhand entscheiden wir uns dem Kerl 20€ anstelle der 2$ zu geben, mit den Worten: „Hier nimm es, und kauf deiner Freundin etwas Schönes“! Es ist ihm nicht recht, aber er nimmt es an. Eine bewegende, interessante aber auch sehr bedrückende Fahrt für uns!

Einchecken im Hotel und ab in eine naheliegende Shoppingmall zum Abendessen. Die momentane Situation mit den Protesten im Iran bekommen wir auch hier zu sehen. Innert kurzer Zeit begegnen uns etwa 15, meist sehr junge Frauen, die aus Protest gar kein Kopftuch mehr tragen. Wir bewundern diese Frauen wirklich für ihren Mut! Jetzt zurück in die Shopping Mall in den Food Court, wo wir natürlich als Touristen sehr auffallen. Eine junge Frau kommt zu uns an den Tisch und spricht fliessend Englisch. Voller Freude redet sie mit uns und bringt uns später noch einen Zettel mit ihrer Telefonnummer und diversen Tipps, was wir in der Gegend anschauen sollen. Solche sehr lieben Gesten sind im Iran keine Seltenheit, und genau solche Begegnungen machen eine Reise in den Iran auch zu etwas Besonderem.

 

24.11.2022

Tabriz, Iran

Heute brauchen wir als erstes Geld. Und zwar 70 Millionen Rials :-). Dies entspricht 200€. Also los, mit dem Taxi zum Bazar. Kaum aus dem Taxi ausgestiegen, spricht uns einer an, ob wir Geld wechseln wollen und schon landen wir in seinem Schmuckladen. Wir machen den Preis ab, geben ihm die 200€ Note und er gibt uns einen Bund 500'000 Rial Noten. Vermutlich wollten die Jungs uns betrügen, denn beim Nachzählen vor Ort komme ich gerade mal auf die Hälfte, nämlich nur 35'000'000 Rials. Und schon gibt einer nochmals 20'000'000, und schlussendlich nochmals 15'000'000! Vermutlich gibt es Touristen, die es nicht nachzählen und schnell wieder weiterziehen, da das Ganze ja auf dem Schwarzmarkt passiert! Mit dem Taxi zurück zum Hotel, auschecken und weiter mit dem Taxi zu Yusef.

Wir sehen sofort, dass es unserem Chefmechaniker keine Ruhe liess und er unbedingt wissen wollte, woher diese brutalen Schläge beim Bergabfahren kommen. Das Schaltgetriebe ist bereits zusammengebaut und dafür ist das Verteilergetriebe zum zweiten Mal offen. Die Kette hat sich über die letzten 290'000 Km ausgeleiert und sei zu lang. Yusef will die Kette kürzen, denn neue Teile sind nicht verfügbar. Aber wie? Hmmm? Einer schiebt die Kette Stück für Stück auf dem Schraubstock her und Yusef schlägt mit dem Hammer auf jeden der 100 Kettenstifte. Somit dehnen sich die Kettenstifte aus und die Kette wird kürzer. So einfach geht das im Iran :-).

Heute laden wir übrigens Yusef zum Mittagessen nebenan ein. Drei komplette Menus: 6 Franken. So, und jetzt beginnt ein Murks, wie es bei uns wohl kaum zu sehen ist. Das schwere Schaltgetriebe muss wieder an unseren Wagen! Natürlich nur von Hand, und das geht so: Zwei Mann liegen unter dem Auto und ich ziehe von innen mit einem Seil, das um das eine Ende des Getriebes gewickelt ist, durch das Loch wo sonst der Ganghebel ist, nach oben. Nach mehreren Anläufen klappt es endlich!! Echt mühsam!! Leider dauert alles länger und wir können heute nicht abschliessen. Obwohl morgen „Sonntag“ ist (eigentlich Freitag, aber das ist der hiesige Sonntag), will Yusef arbeiten. „Aber nein doch Yusef, nimm dir einen Tag frei“ sagen wir. Er willigt ein und gibt dem Security–Mann Bescheid, dass er ein Auge auf unser Auto haben soll. Der Security ist übrigens einfach ein Mann mit Vollbart und Tätowierungen, der ganz in der Nähe in seiner Werkstatt wohnt. 

 

25.11.2022

Tabriz, Iran (Sightseeing anstelle Werkstatt)

Wir nutzen unseren „werkstattfreien“ Tag, um nochmals die Stadt unsicher zu machen. Natürlich streifen wir erneut durch den Bazar, decken uns ein mit leckeren Pistazien (der Himmel für jeden Nussliebhaber!) und probieren an einem kleinen mobilen Stand typischen iranischen Streetfood: ein Schälchen gedämpfte Zuckerrüben. Schmecken lecker und süss :-). 

Wir besichtigen zudem einige Sehenswürdigkeiten: der mächtige „Arg“ ist das bekannteste Monument der Stadt und ein Überbleibsel einer gigantischen Moschee aus dem 14. Jahrhundert und späteren Festung. Auch sehr bekannt ist der Uhrenturm des Stadthauses, erbaut im Jahr 1934 unter der Aufsicht von deutschen Architekten. Leider erhalten wir keinen Zutritt zum Behnam-Haus, ein restauriertes Wohnhaus aus der frühen Qajar-Dynastie. Das Haus ist heute Teil der einer Universität und kann zurzeit offensichtlich nicht besichtigt werden. Das Wetter ist kalt und nass, wir entfliehen immer wieder in die gemütlichen und teils sehr modernen Cafés. Hier fühlt man sich schon fast wie irgendwo in Westeuropa! 

Gegen Abend fallen uns auf der Strasse die vielen Polizisten in Schutzmontur auf, gerade fährt nochmals ein Bus voller Polizisten auf einen Parkplatz. Auch einige gepanzerten Fahrzeuge stehen bereit. Wir wissen nicht was hier vor sich geht und fliehen sicherheitshalber erst Mal in einen anderen Stadtteil. Später wird uns dann klar, was dieses Polizeiaufgebot soll. Heute findet der WM Match Iran-Wales statt und es werden vermutlich Ausschreitungen erwartet… Der Iran gewinnt 2:0! Die Strassen werden langsam voll, hupende Autos fahren mit wehenden Flaggen durch die Stadt bis schlussendlich das Zentrum der Stadt total verstopft ist und die Leute in den Kreiseln stehen und feiern! Uns fällt auf, dass es sich bei den Feiernden um eher konservatives Volk handelt. Angesichts der grossen Unzufriedenheit mit der Regierung widerspricht es momentan vermutlich vielen, ihr Land öffentlich zu feiern! Uns ist der Menschenauflauf allerdings zu viel, wir verziehen uns in ein gemütliches Restaurant und schlemmen endlich wieder Mal etwas Anderes als Reis und Kebab! Für den Rückweg erwischen wir wieder ein „privates“ Taxi. Der ältere lustige Mann hat einen ziemlich halsbrecherischen Fahrstil und als wir ihm etwas auf dem Handy zeigen wollen, deutet er an, dass er schlecht sieht… Zu guter Letzt steigen bei strömendem Regen auch noch die Scheibenwischer des Autos aus! Wir sind froh, dass wir bald aussteigen können ;-).

 

26.11.2022

Tabriz, Iran

Km: 30

Km Total: 21’640

Und los, mit dem Taxi zu Yusef. Ich (Stefan) schaue als erstes unter den Camper und denke: „Mann, das gibt’s doch nicht“. Yusef war tatsächlich gestern an seinem freien Tag hier und hat das Verteilergetriebe und die Antriebswellen montiert. Vermutlich weil er einfach zu viel zu tun hat. Schon bald wollen wir Mittagessen, aber unsere bekannte Kneipe nebenan ist geschlossen. Wir laufen in der uns inzwischen bekannten Gegend rum und finden ein Lokal, das jedoch nur für „Take-Away“ ist. Dann nehmen wir das Essen doch einfach mit in den Camper. Sie bitten uns herein, wir können in dem 9 m2 Raum sitzen und bekommen sofort einen Tee und eine Suppe. Mit Google Translate kommunizieren wir ein paar Worte und auch hier spüren wir eine Unzufriedenheit mit der jetzigen Situation im Iran, obwohl es anhand der Kleidung der Frau eine eher konservative Familie ist. Wir bekommen zwei Take-Away-Boxen gefüllt mit Reis und einem Poulet-Schenkel und fragen was es kostet. Sie sagen wir seien ihre Gäste und es sei gratis! Nun, hier im Iran gibt es „Taarof“, eine „ritualisierte Höflichkeit“ die für uns meist unverständlich ist. Man sollte nie beim ersten Mal einverstanden sein, sondern 3-mal ablehnen. Dies gilt auch wenn man nach Hause eingeladen wird. (Taarof kann kompliziert sein, deshalb hier mehr Infos https://de.wikipedia.org/wiki/Taarof)

3, 4 Mal fragen wir nach, aber alles hilft nichts, wir bezahlen nichts. Wieder einer der Momente im Iran :-).

Der Wagen wird komplett fertiggestellt und wir bezahlen die Rechnung. Wie letztes Mal, 100$ für Yusef und 10$ für den tätowierten Security Mann. 

Der Wagen scheint gut zu laufen und wir fahren 20 km quer durch die Stadt auf den altbekannten „Campingplatz“ beim Park. Jetzt geht’s in eine andere Welt. In eine edle Shopping Mall. Uns gibt es immer wieder zu denken, wenn wir die krassen Gegensätze sehen. Draussen sind Leute, die im Monat 100$ verdienen und in der Mall dominieren Glanz, Glitter und teure Geschäfte. Erst gehen wir etwas essen. Jetzt sind wir noch auf der Suche nach einem längeren Kleid für Maryse, da ja bekanntlich im Iran das Hinterteil abgedeckt sein muss und ihr jetziges Stück etwas knapp ist. Maryse probiert eines an und wir wollen es kaufen. An der Kasse sind wir schockiert über den Preis. Umgerechnet 50 Franken! Wer kann sich hier sowas (Made in Turkey) leisten? Da das Kleid nur für den Iran ist, machen wir einen Rückzieher. Auf dem Bazar kostet etwas Ähnliches vermutlich 10-mal weniger!    

 

27.11.2022

Tabriz, Iran

Heute geht’s nochmals in die Stadt, da wir uns noch einige Sehenswürdigkeiten ansehen wollen. Das Wetter ist gut und wir nehmen den stündigen Weg zu Fuss in Angriff. 

Als erstes besuchen wir das Azerbaijan Museum, das zweitwichtigste archäologische Museum im Iran, mit interessanten Artefakten sowie Alltagsgegenständen aus verschiedenen Epochen. Es ist immer wieder faszinierend zu sehen, wie kunstvoll die teils über 2000 Jahre alten Gegenstände verarbeitet sind und was die Menschen schon damals fähig waren herzustellen. 


Gleich nebenan steht die sogenannte Blaue Moschee (oder Kabud-Moschee), bekannt für ihre einzigartige Architektur sowie die Dekorationen mit türkisfarbigen und blauen Keramikfliesen und Mosaikarbeiten. Im Jahr 1465 prachtvoll erbaut, wurde die Moschee 300 Jahre später durch ein Erdbeben schwer beschädigt. 

Dank einem umfangreichen Wiederaufbauprojekt kann die Moschee heute wieder besichtigt werden. Die iranischen Moscheen beeindrucken uns immer von Neuem mit ihren wunderbaren Farben und Mustern. Den Rest des Nachmittags schlendern wir planlos durch die Stadt. 

Wir finden einen stylischen Barbershop, wo der sehr sympathische junge Mann namens Sahid sich sofort an die Arbeit macht und Stefan einen flotten Haar- und Bartschnitt verpasst. Er hat erst vor kurzem seinen eigenen Salon eröffnet, vorher hat er einige Jahre in der Türkei gelebt und gearbeitet. Doch es zog ihn wieder zurück in die Heimat, zu seiner Familie und Freunden. Sein Zuhause sei hier im Iran, er wolle nicht wegziehen. Und natürlich äussert auch er seinen Unmut über die Regierung und die schlechte Wirtschaft. Übrigens treffen wir fast ausschliesslich Leute, die politisch ins gleiche Horn blasen! Aber Sahid hat die Hoffnung zum Glück nicht aufgegeben und ist überzeugt, dass sich bald etwas ändern wird. 


Gleich nebenan befindet sich ein gemütliches Café, wo wir mit Sahid bei Kaffee und Kuchen noch eine Weile weiterplaudern. Für den Rückweg zum Camper wählen wir die U-Bahn. Es handelt sich offensichtlich um eine relativ neue Anlage, jedoch sieht vieles irgendwie unfertig aus und einiges wirkt bereits verwahrlost. Schade um das tolle Projekt. Für weniger als 10 Rappen pro Fahrt bringt uns die U-Bahn nach Hause!

 

28.11.2022

Tabriz – Kandovan, Iran

Km: 70

Km Total: 21’710

Die erste richtige Fahrt nach der Reparatur steht an! Wir haben bereits gestern bemerkt, dass beim Start des Autos neu ein ungewöhnliches Quietschen zu hören ist. Hat das vielleicht etwas mit der gekürzten Kette zu tun? Wir wissen es nicht und hoffen, dass sich dies mit der Zeit legen wird… Vorsichtig, noch wie auf Nadeln, fahren wir aus der Stadt. Wir trauen der ganzen Sache noch nicht richtig und horchen auf jedes kleinste Geräusch, dass der Wagen von sich gibt. Ein bisschen anders, irgendwie gröber, hört er sich schon an. Wir kennen unseren Brummi doch ;-). Aber, das Schlagen beim Bergabfahren ist definitiv weg! 

Unser Ziel liegt nur 70 km südlich von Tabriz, kaum aus der Stadt, erhebt sich am Horizont die schneebedeckte Sahand-Bergkette. Der Winter ist nah und die Temperaturen bewegen sich in Tabriz tagsüber um die 12 Grad. Wir haben eigentlich nicht damit gerechnet, dass wir heute dem Schnee so nah kommen; das Dorf Kandovan (Einwohner 1’000) liegt zu unserer Überraschung auf 2'200 m :-)


Das Übernachten hier oben hat sich damit erledigt - zu kalt für unseren Wassertank. Doch der Ausflug hierhin hat sich allemal gelohnt! Wir stehen vor einem kleinen Dorf, dass in eine unglaubliche Landschaft hinein gebaut ist! Ein Band voller spitzer Felsen ragt hier aus dem Boden, vollständig integriert in das Dorf! Die Menschen haben sich in früheren Jahren den weichen Tuffstein zunutze gemacht: es wurden Höhlen in die Felstürme gehauen und es entstanden richtige Wohnungen, teilweise sogar mehrstöckig, daraus! Auch heute werden die Höhlen teilweise noch bewohnt, dennoch sind natürlich viele Bewohner in den unteren Teil des Dorfes, in richtige Häuser, umgezogen.

Viele der Höhlen sind nur durch steile Fusswege zugänglich, was den Wohnkomfort auch nicht gerade erhöht. Die Höhlen werden heute teilweise als Hotelzimmer vermietet. Trotz der vielen Souvenirshops kommt uns das Höhlendorf sehr authentisch vor. Wäsche weht im Wind, aus den Küchen duftet das Essen, Buben spielen Fussball und immer wieder begegnen uns Esel, die Lasten durch die schmalen Wege in die Höhe transportieren. Die Sonne geht hier früh unter und wir machen uns auf den Weg in etwas tiefere Gefilde. Wir finden einen schönen Platz in der Natur, ein freundlicher Schafhirte schaut noch kurz vorbei und lädt uns zu sich nach Hause ein. Das ist definitiv Taarof: wir lehnen dankend ab, der Mann hat uns mit der Einladung seine Anerkennung gezeigt und verabschiedet sich zufrieden. 

 

29.11.2022

Kandovan – Colored Mountains, Iran

Km: 100

Km Total: 21’810

Wir fahren los und zum ersten Mal gehen wir Tanken. Dieselfahrzeuge gibt’s neben den LKW’s im Iran praktisch nicht, und der Diesel ist stark subventioniert. Zudem besitzt jeder LKW-Fahrer eine Dieselkarte mit einem gewissen Kontingent. Der offizielle Dieselpreis ist knapp 1 Rappen pro Liter (und nein, wir haben keine Null vergessen!). Da wir aber keine Dieselkarte haben, variiert der Preis je nach Tankwart, die teilweise ebenfalls eine Dieselkarte haben. Man wird auch ab und zu abgewiesen und bekommt gar keinen Diesel. Wir haben aber Glück und der Tankwart gibt uns 100L. Jedoch zu 15 Rappen pro Liter. Ob das ein guter oder schlechter Preis ist, wissen wir noch nicht. Aber es ist ja eigentlich so oder so nichts im Vergleich zu anderen Ländern :-).

Weiter geht’s und wir ziehen aussen an der Millionenstadt Tabriz (wenige 100m neben Yusef) vorbei Richtung Nordosten. Schon bald landen wir bei unserem Ziel, den „Coloured Mountains“, welche ihrem Namen alle Ehre machen! Nun suchen wir einen Schlafplatz wo sich der Iveco hinter einem Hügel verstecken kann, damit man uns nicht von der Strasse aus sieht. 

Eine phänomenale rot-braun-weiss-grüne Felsenlandschaft breitet sich vor uns aus und unsere Kamera läuft heiss während der stündigen Wanderung in den umliegenden Hügeln.

 

30.11.2022

Coloured Mountains – Tabriz, Iran

Km: 70

Km Total: 21’880

Heute ist es garstig, ein kalter Wind und Regen herrscht draussen. Unsere Heizung ist Gold wert. Beim Rausschauen entdecken wir einen Hund, der nach Fressen sucht. Leider sind die Hunde im Iran miserabel dran. Sie werden kaum gefüttert und an der Angst die sie haben, kann man sich vorstellen, dass sie wohl meistens weggejagt werden! Viel mehr als ein Butterbrot haben wir nicht für ihn, aber immerhin! Wir fahren los, und nach 10 Kilometer hören wir ein schwaches aber neues Geräusch. Wir halten an. Hoffentlich nicht wieder etwas im Antrieb! Wir wollen wieder losfahren, aber es bleibt vorerst beim wollen! Wir sind im Leerlauf und kommen nicht mehr vom Fleck! Ach du Scheisse! Ich heble am Ganghebel vom Verteilergetriebe rum, und wir kommen wieder vorwärts! Nur viel zu langsam! Wir stecken im Reduktionsgetriebe fest!!! Da wir langsam kleine Autogetriebeexperten sind, ist der Fall klar. Vermutlich ist die geflickte Gabel gebrochen! Trotzdem ziehe ich mich warm an und krieche bei Regen und Wind unters Auto. Ich trenne den Hebel mechanisch vom Verteilergetriebe und betätige dieses manuell mit einer Zange. Bringt wie zu erwarten auch keinen Fortschritt! Wir müssen zurück nach Tabriz, zu Yusef! Wir fahren im Reduktionsgetriebe los. Tourenzähler ist bei 1500 Touren und wir erreichen im 5. Gang gerade mal 20km/h! Schneller (max. 25-30km/h) wollen wir nicht fahren, da es mit Reduktion eventuell überhitzen könnte! Wir haben knappe 60km vor uns! Mit einem Mittagsstopp haben wir vier Stunden! Der konstante Verkehr der uns um die Ohren fährt macht es nicht einfacher! Ein junger Iraner in einem alten Ami-Jeep deutet während der Fahrt an, dass wir anhalten sollen. Er spricht gut Englisch und fragt, ob wir Probleme haben. Natürlich haben wir Probleme :-) und erklären kurz unsere Situation. Er habe frei heute, kenne eine gute Garage und könne uns helfen mit Übersetzen. Wir lehnen dankend ab und fahren einmal quer durch die ganz Stadt Tabriz. Wir schaffen es und kommen um 15:15 Uhr bei Yusef an. Um 15:30 Uhr fahre ich wie gewohnt den Wagen auf alte LKW Felgen und keine 30 Minuten später liegt das Verteilergetriebe bereits offen auf dem Tisch! Wahnsinn! Jeder Handgriff sitzt. Unsere Vermutung stimmt und die Gabel ist gebrochen! Yusef verschwindet und kommt erst eine Stunde später mit der neu geflickten Gabel zurück. 

Es ist dicker und grossflächiger aufgeschweisst worden und vor allem wurden keine Messingeinsätze eingelegt. Denn diese waren vermutlich schuld am Bruch der Gabel. Einer der Einsätze hat sich vermutlich gelöst, verklemmte sich bei der Gabel und führte zum Bruch. Denn eigentlich erfährt die Gabel sonst keine Kräfte! Es ist 19:00 Uhr und Yusef hat das Getriebe wieder bereit zum Einbauen! Also in 3.5H alles erledigt! Wir sagen ihm, dass wir das Montieren auf den kommenden Tag verschieben. Er ist froh, meinte jedoch, er hätte es in 40 Minuten oben und wir könnten losziehen. Er ist sich vermutlich von anderen Reisenden gewohnt, dass diese immer so schnell wie möglich weiterziehen wollen! Und so stecken wir wieder in Tabriz fest, neben der riesigen Hauptstrasse im Viertel Dieselabad!

 

1.12.2022

Tabriz, Iran

Km: 10

Km Total: 21’890

Wir essen ein kleines Frühstück im Camper und schon bald taucht Yusef auf und lädt uns in seiner Werkstatt zu einem weiteren Frühstück ein :-).

Wir installieren das Verteilergetriebe und alles ist am Vormittag beendet. Yusef will kein Geld, das sei Garantie. Aber wir bestehen darauf und geben ihm 50€ für die etwa 6 Stunden Arbeit. Wir verabschieden uns jetzt hoffentlich zum letzten Mal und haben nun die glorreiche Idee mitten in die Stadt zu fahren um unsere SIM-Karte mit Internetguthaben zu laden. Der Verkehr ist die Hölle, Stossstange an Stossstange ins Zentrum! Beim Parkieren in den Iranischen Städten herrscht immer Wildwuchs! Man hält einfach am Rand an und parkt, und wenn schon einer da steht parkiert man nebendran und blockiert ein paar Fahrzeuge. Zum Teil sieht man Zettel mit Telefonnummern an der Frontscheibe, damit man anrufen kann, wenn man wegfahren will :-). Wir parkieren also wie die Einheimischen, halb auf der Strasse und sperren mehrere Fahrzeuge ein. Maryse geht alleine die Sim-Karte aufladen und ich warte im Auto. 30 Minuten lang blockiere ich (neben einigen anderen) eine Spur der eigentlich 3-spurigen Strasse. Niemand stört sich daran. Maryse ist zurück und endlich können wir aus dem Chaos raus auf unseren bekannten Parkplatz neben dem kleinen Park.

Für das Mittagessen gehen wir gleich nebenan in eine Shopping Mall die gleich neben einer Universität liegt. Im Food Court tummeln unzählige Studenten, und etwa jede vierte Frau hat kein Kopftuch aufgesetzt. Wir sehen aber auch eine Frau die schwarz verhüllt im Tschador herumsteht und etwas verdächtig die Leute beobachtet. Ob sie vielleicht von der Sittenpolizei ist? Am Ausgang werden wir noch von einer Studentin angesprochen die gut englisch spricht. Sie zeigt uns einen Shop mit handbemalten Keramikartikeln von diversen lokalen Künstlern. Wir gönnen uns ein paar schöne Souvenirs. Man gibt uns im Laden einmal mehr die Abneigung gegenüber der Regierung zu spüren.

 

2.12.2022

Tabriz – Qaleh Zahak, Iran

Km: 140

Km Total: 22’030

Unser zweiter Versuch, die Stadt Tabriz zu verlassen, steht an! Wir hoffen sehr, dass es für diese Reise definitiv der letzte Besuch gewesen ist! Die Schäden am Getriebe sind provisorisch behoben, allerdings mit diesen „Folgeschäden“: Quietschen beim Starten des Wagens (seit dem Kürzen der Kette) und ein leicht gröberes Fahrfeeling (seit dem Wechsel der Kupplung, evtl. Schwungrad unsauber abgeschliffen). Aber wir sind zuversichtlich und hoffen, dass wir ohne weitere Zwischenfälle nach Kuwait kommen. Dort sollten wir Ersatzteile bekommen und werden die geflickten Teile ersetzen. Wir verlassen die anderthalb Millionen Stadt auf der Autobahn in Richtung Südosten. Auf der stark befahrenen Strasse begegnen uns immer wieder Fahrradfahrer. Wie kann man auf dieser Strasse nur Radfahren? Wir kommen zum Schluss, dass die breite dreispurige Autobahn wohl tatsächlich der sicherste Ort (in Stadtnähe) zum Radfahren ist! Die Hauptstrassen sind sicherlich aufgrund des starken Verkehrs und halsbrecherischen Fahrstils der Iraner alles andere als fahrradfreundlich. Und Radstreifen sucht man im ganzen Land vermutlich vergebens. In der Stadt selbst sieht man nur sehr, sehr vereinzelt Radfahrer. Für das Mittagessen finden wir ein schönes Restaurant. Wir bekommen vom freundlichen Kellner sofort eine Schweizerflagge und eine Iranische Flagge auf den Tisch gestellt :-). 

Auch sehr toll sind die Vorspeisen, die automatisch zu jedem Menü serviert werden: eine sehr leckere Gerstensuppe und ein gemischter Salat. Wir haben uns schon gefreut, dass es hier zur Hauptspeise sicher noch etwas Anderes als Kebab- oder Pouletspiesse und Reis geben wird. Doch leider nein… Wir wissen nicht, ob es an den Verständigungsproblemen liegt, doch irgendwie haben wir das Gefühl, dass die kulinarische Vielfalt in den Restaurants sehr eingeschränkt ist. Wir wissen aus unserem Reiseführer, dass die iranische Küche viel mehr zu bieten hat. Nur leider haben wir dies bis jetzt noch kaum erlebt. Wir werden daran arbeiten :-). Trotzdem war es ein sehr sympathischer Restaurantbesuch. Wir verlassen die Autobahn und fahren auf Hauptstrassen durch eine schöne hügelige Landschaft unserem Ziel, der „Zahak Festung“ entgegen. Heute ist Freitag, also der islamische Sonntag, und es hat einige Leute auf dem Parkplatz der Sehenswürdigkeit. 

Wir werden sofort entdeckt und so kommt es, dass wir ca. 30 Sekunden nach unserer Ankunft bereits mit einer Gruppe jungen Männern zu iranischer Musik am Tanzen sind :-). Es sind vier Brüder aus dem nahegelegenen Dorf Hashtrud, wir unterhalten uns noch eine Weile mit ihnen (ohne Englisch) und schon bald steigen sie in ihren Nissan Patrol und rauschen davon. Das war wieder mal ein bleibender Empfang! 


Später kommt noch ein Mann in oranger Weste, ein Angestellter des Tourismusbüros. Das ist super, denn wir können ihn gleich fragen, ob es in Ordnung ist hier zu übernachten. Er willigt ein und erzählt uns, dass er früher Bergsteiger war und sogar den Ararat bestiegen hat. Auch unser Matterhorn ist ihm bekannt. Es ist übrigens ein toller Platz zum Übernachten mit super Aussicht in die schöne Schlucht.

 

3.12.2022

Qaleh Zahak – Toryan, Iran

Km: 80

Km Total: 22’110

Vom Parkplatz aus geht’s zu Fuss zur Zahak Festung, die auf der anderen Seite der tiefen Schlucht liegt. In gut 40 Min. erreichen wir die Festung und werden vom Wächter freundlich empfangen. Sofort übergibt er uns einen Prospekt der Region und führt uns kurz übers Gelände. Von der Festung ist eigentlich nur noch ein Turm aus Backsteinen übrig, der ausser seiner ausgesetzten Lage an der Kante der Schlucht, nicht wahnsinnig besonders ist. Schon bald sitzen wir im warmen Wächterhäuschen bei einer Tasse Tee und unterhalten uns mit Google Translate. Leider ist auch hier im Iran die Sprachbarriere oft ein grosses Problem. Damit trotzdem keine Langeweile aufkommt, werden häufig gegenseitig Fotos auf dem Handy gezeigt :-). Später ruft er seinen Chef an, den Tourismusdirektor der Region, mit dem wir uns mit Müh und Not auf Englisch unterhalten. Nachdem wir uns aufgewärmt haben, unternehmen wir eine kurze Wanderung durch die Gegend. Immer wieder eröffnen sich uns neue Einblicke in die eindrückliche Schlucht, die sich rings um die Festung schlängelt. 

Die grandiose Landschaft ist der wahre Grund hierherzukommen! Gerne hätten wir eine längere Wanderung durch die schöne Gegend unternommen, aber bei dem garstigen und kalten Wetter sind wir wenig motiviert. Wir ziehen bald weiter und fahren auf Nebenstrassen zurück auf die Autobahn. Das erste Mal im Iran erwischen wir eine unbefestigte Strasse, die uns durch ausgedehnte Felder und kleine Dörfer führt. Übrigens ruft unterwegs nochmals der Tourismusdirektor an und möchte uns zum Mittagessen einladen sowie weitere Sehenswürdigkeiten der Region zeigen. Wir sind jedoch bereits zu weit weg von seinem Büro in Hashtrud und lehnen daher dankend ab. Die Autobahn führt uns nochmals durch ein grandioses Gebiet mit farbigen Hügeln, wo wir uns einen Übernachtungsplatz suchen und auf besseres Wetter für den morgigen Tag warten. Gerade als wir von der Autobahn abbiegen, entdecken wir am Strassenrand eine Herde Kamele. Es ist übrigens bereits das zweite Mal in der Region Tabriz, dass wir Kamele sehen. Wir gehen davon aus, dass das Kamelhaar der Grund für die Zucht der Tiere ist. In Tabriz haben wir viele Stände gesehen, die Produkte aus Kamelhaar verkaufen. Wir stoppen und fragen den Hirten, ob wir ein Foto machen dürfen. Zu unserem Erstaunen möchte er Geld dafür. Wir drucksen ein wenig herum und er deutet sofort an, dass er auch mit etwas zu Essen einverstanden wäre. Wir holen ihm ein Pack Güetzi aus dem Auto, leider haben wir nicht viel mehr zu bieten. Unterdessen herrscht etwas Chaos in der Herde und einige Ausreisser strömen in alle Himmelsrichtungen. 

Der Hirt rennt und auch wir machen uns nützlich und ich (Maryse) kann sogar eines der Kamele davon abhalten, auf die Autobahn zu traben…

 

4.12.2022

Toryan – Hsar, Iran

Km: 90

Km Total: 22’200

Die einmaligen farbigen Felsen erscheinen uns leider auch an diesem Morgen etwas blass, denn das Wetter meint es nach wie vor nicht gut mit uns. Trotzdem ist die kleine Wanderung auf die umliegenden Hügel fantastisch!

Wir fahren los. Zuerst ein Stück Autobahn, aber schon bald biegen wir auf Nebenstrassen ab um weitere farbige Halbwüstenhügel und Felsen zu bestaunen. 

Unser Mittagessen in einem Dorf besteht wieder einmal mehr zum einen aus Kebab und Reis, aber immerhin zum anderen aus einem leckeren Fleisch-Eintopf. Wir machen einen kleinen Umweg und fahren nach einer Stunde wieder an derselben Kebab-Bude vorbei. Wenig später überholt uns ein Auto und der Mitarbeiter des Restaurants winkt uns zu; wir sollen anhalten. Wir haben nicht etwa etwas im Lokal vergessen, nein, er will uns zu sich nach Hause einladen. Natürlich lehnen wir „Taarof“-konform ab. Aber er meint es ernst. Wir lehnen trotzdem ab, da wir vorwärts kommen wollen und es auch etwas schwierig ist zu kommunizieren, denn der liebenswerte Mann kann kein Englisch. Er zieht enttäuscht weiter und wir haben noch eine Weile ein schlechtes Gewissen. Man muss sich vorstellen, dass abseits der Touristenzentren äusserst wenige Westliche Reisende unterwegs sind und dadurch das Interesse hoch ist. Manchmal ist es schwierig die richtige Entscheidung zu treffen. Mitten in der Natur schlagen wir dann unser Lager auf. 

 

5.12.2022

Hsar – Zanjan, Iran

Km: 90

Km Total: 22’290

Am Morgen machen wir als erstes Bekanntschaft mit vielen Schafen, Ziegen, den dazugehörigen Hunden und natürlich einem der freundlichen Hirten. Er lächelt und wir plaudern eine Minute mit unseren paar Worten in Farsi. Und jetzt, kaum losgefahren, trauen wir unseren Augen nicht. Die Sonne scheint und die farbigen Felsen strahlen uns prachtvoll entgegen. Fantastisch!

Schon bald verschwinden die farbenfrohen Hügel und stattdessen macht sich eine flache, langweilige und brache Gegend breit. Und da steht plötzlich ein Autostöppler vor uns und wir entscheiden uns diesen aufzuladen. Kaum am Fahren, will er uns zu sich einladen. Aber wir wollen ja nicht zurück, sondern vorwärtsfahren, und so lehnen wir ab. Etwa eine Stunde später kommen wir in Zanjan an, und unterwegs wurden wir wieder eingeladen zum Essen, aber dieses Mal bei seinem Cousin. Nach etwas hin und her entscheiden wir uns, diese Einladung anzunehmen. Haben wir das mit „Taarof“, der „unaufrichtigen Höflichkeit“ verpatzt? Haben wir zu wenig abgelehnt? Wir wissen es nicht. Wir fahren quer durch die Stadt und warten vor dem Haus. Es ist noch niemand da. Nach 10 Minuten kommt die Familie an. Der Cousin Javid und seine Frau, Javid’s Mutter und Vater. Etwa eine Stunde später gesellen sich noch Javid’s Schwester mit Mann und Kindern dazu. Wir treten ein in das Haus und in das schöne Wohnzimmer. Es ist ein typisches Wohnzimmer mit flächendeckenden Teppichen am Boden, rundherum Sofas und viel Platz in der Mitte. Maryse wird gleich in die Küche mitgenommen und hilft mit beim Kartoffel schneiden. Ich unterhalte mich mit Javid über den Iran und Europa. Es sind immer wieder berührende Gespräche und bei jedem solchen Gespräch merkt man wieder, wie gut wir es im Westen haben und wieviel wir fälschlicherweise als selbstverständlich anschauen.

Jetzt wird aufgedeckt. Nicht etwa auf einem Tisch, sondern wie üblich auf dem Boden. Reis, Kebab-Spiesse, Fleischeintopf, Auberginen, etc, etc… Wir sind schon bald vollgestopft und sollen immer noch mehr essen. Das Fotoshooting, Telefonnummern austauschen und Instagram steht an. Wir möchten weiterziehen, aber die Mutter will uns einfach nicht gehen lassen, bietet uns an hier zu schlafen, zu duschen, zu essen und erst Morgen weiter zu ziehen. Nach zähen Verhandlungen ;-) schaffen wir es uns nach 5 Stunden zu verabschieden und nächtigen auf einem Parkplatz in unserem gewohnten Häuschen. Einer dieser Tage die man nicht vergisst.

 

6.12.2022

Zanjan – Qvazin, Iran

Km: 200

Km Total: 22’490

Die Strecke zwischen den beiden Städten ist die wohl unattraktivste seit langem. Flach, grau, viel Industrie, viel Plastiksack-Müll und viele LKW’s. Wir bewegen uns momentan mit 60km/h, da wir unser Verteilergetriebe schonen wollen. Unterwegs machen wir einen Zwischenstopp beim Mausoleum von Oljeitu in Soltaniyeh. Das aus dem 14. Jhdt. stammende Gebäude ist massiv. Der Dom weist im inneren einen immensen Durchmesser von 26m, und eine Höhe, Boden – Kuppel, von 52 m auf. Beeindruckt sind wir auch von den unendlich vielen Verzierungen die auf den begehbaren Balkonen zu sehen sind. 

Wir ergreifen aber bald die Flucht, denn mit dem eisigen Wind ist es saukalt! In Qvazin finden wir dank der iOverlander App schnell einen geeigneten Platz, neben einem Park, zum Schlafen.

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7. & 8.12.2022

Qazvin, Iran

Am Morgen herrscht auf „unserem“ Parkplatz bereits reger Betrieb. Gleich nebenan ist ein Mädchen-Gymnasium und viele Schülerinnen werden mit dem Auto hergebracht. Wir packen unsere vollen Wäschesäcke und machen uns zu Fuss auf den Weg in die auf Google Maps herausgesuchte Wäscherei. Es war nicht ganz einfach, die richtige Art von Wäscherei zu finden, da es nebst vielen chemischen Reinigungen auch etliche Teppichreinigungen gibt. Irgendwo müssen ja die in iranischen Haushalten in rauen Mengen vorhandenen Teppiche auch gereinigt werden ;-). Ein paar Stadtarbeiter, die gerade im Park ihr Znüni essen, winken uns zu. Einige Minuten später holt uns einer dieser Männer mit dem Fahrrad ein und erklärt uns auf Farsi eifrig, wo wir eine Wäscherei finden. Wir bedanken uns und laufen weiter. Doch es lässt ihm keine Ruhe, er folgt uns nochmals und fragt noch einen Ladenbesitzer nach dem richtigen Weg. Erst jetzt lässt uns der nette und freundliche Mann selbständig weiterziehen :-). Bald erreichen wir unser Ziel und werden auch hier sehr freundlich empfangen. Die gestrige WM-Schlappe unserer Schweizer Nati ist nach der Bekanntgabe unserer Nationalität sofort ein Thema :-). Und weil auch die Iraner mit einem ähnlich üblen Resultat (6:2) ausgeschieden sind, können wir uns das gleiche Leid klagen ;-). Auch in dieser Wäscherei werden vorwiegend chemische Reinigungen durchgeführt, doch auch normale Wäsche wird gewaschen und so können wir unsere Säcke abgeben und morgen Abend abholen. Unser Aufenthalt in Qazvin hat sich somit gerade um einen Tag verlängert. Auch gut :-). Wieder mal laufen wir eine lange Strecke durch die Stadt ins Zentrum und hören immer wieder, von Passanten oder Ladenbesitzern, ein „Hello, welcome to Iran“. Als erstes besuchen wir die im Jahr 2015 renovierte Sadosaltaneh Karawanserei, welche heute einen der schönsten traditionellen gedeckten Handwerker- und Souvenirmärkte im Iran beherbergt. Wir sind begeistert von all den kleinen Geschäften, Galerien und kreativ eingerichteten Cafés, die hier zu finden sind. Auch ist es hier drinnen, im Gegensatz zu der quirligen Hauptstrasse, eine kleine Oase der Ruhe. 

Viele der Läden haben jedoch heute aufgrund des Generalstreiks gegenüber der Regierung geschlossen. Auch das Gebäude selbst ist faszinierend, mit den langen gewölbten Gängen, schön verzierten Kuppeln, grossen Toren und gemütlichen Innenhöfen. Es handelt sich übrigens um die grösste innerstädtische Karawanserei des mittleren Ostens! Mehr über den Ursprung von Karawansereien auf Wikipedia. Wir machen nun einen Abstecher zu einem eher ungewöhnlichen Gebäude, der kleinen russisch-orthodoxen Kantor Kirche. Das nächste Ziel ist der Chehel Sotun Pavillon, wo ein kleines Kaligraphie-Museum untergebracht ist. 

Hier werden wir von einer jungen Frau namens Arezu auf Deutsch angesprochen. Sie ist Ärztin und wird in wenigen Monaten nach Deutschland auswandern, um dort eine medizinische Weiterbildung zu absolvieren und als Ärztin zu praktizieren. Deshalb hat sie natürlich auch Deutsch gelernt. Wie viele andere gut ausgebildete junge Leute sieht sie ihre Zukunft nicht im heutigen Iran. Die Hauptgründe dafür sind fehlende Arbeitsplätze, schlechtes Einkommen (500€/Monat als Allgemeinarzt), schwierige Arbeitsbedingungen, mangelhafte Weiterbildungsmöglichkeiten und geringe Karrierechancen. Sie und ihre Mutter begleiten uns durch das Museum und bieten an, uns noch weitere Sehenswürdigkeiten in der Stadt zu zeigen. Das Angebot nehmen wir sehr gerne an. Zuerst geht’s jedoch in ein gemütliches Café in der Karawanserei, wo wir bei Tee, Baklava und Kuchen interessante Gespräche mit den zwei sympathischen Frauen führen. 

Später besuchen wir zusammen das Haus „Hosseiniyeh Aminiha“, welches im Jahr 1858 als Teil eines 16-teiligen Komplexes erbaut wurde. 

Als „Hosseiniyeh“ wird ein Gebäude bezeichnet, in dem einmal pro Jahr religiöse Zeremonien und Vorführungen zum Todestag des Imams Husain durchgeführt werden. Diese „Hosseiniyeh“ besteht aus drei grossen parallel verlaufenden Räumen, die durch prachtvoll und detailreich verzierte Aufziehfenster verbunden sind. Die Decken sind kunstvoll dekoriert mit feinen Malereien und Ornamenten. Auch besonders ist, dass das Haus symmetrisch erbaut wurde. Ein prächtiges und sehr eindrückliches Gebäude! Zum Schluss geht’s noch in das Kellergeschoss, wo sich die Herrschaften in den heissen Sommermonaten aufhielten. Nun nehmen wir Abschied von Arezu und ihrer Mutter. Wir haben die gemeinsame Zeit sehr genossen und viel Interessantes erfahren. Solche Begegnungen sind eine Bereicherung für unsere Reise! Den nächsten Tag verbringen wir mit der Besichtigung von vielen weiteren eindrücklichen Sehenswürdigkeiten (Wikipedia: Ali Qapu, Tomb of Hamdollah Mostowfi, Teheran Gate, Imam Zadeh Hossein Moschee, Masjed-e atiq Moschee). 

Gegen Abend holen wir unsere Wäsche ab und verziehen uns in den Camper.

.Ende