Georgien Teil 4: Tuschetien

 

11. – 23.7.2022

Tuschetien, Georgien

Lechuri – Omalo – Gontai – Girevi – Dartlo – Diklo – Omalo – Abano Pass – Lechuri

Km: 230

Km Total: 17’580

(Siehe Video hier)

 

Wir nehmen euch mit auf eine fantastische Reise. In eine wilde, mystische Gegend, wo es Geschichten über Geister gibt, wo 800 Jahre alte Wehrtürme Geheimnisse bewahren, alle Einheimischen wie eine grosse Familie sind, und wo Hirten ihre Schafe, Ziegen und Kühe in die steilen Tälern begleiten.

Tuschetien, eine der unberührtesten und ursprünglichsten Gegenden des Grossen Kaukasus; einer der höchsten und grössten Nationalparks Europas (835 km2) mit einer einzigartigen Flora und Fauna. Mit hohen Erwartungen fahren wir in die entlegenste Region Georgiens! Und wir werden nicht enttäuscht :-).

 

Stundenlang dauert die Fahrt auf den 3000 m hohen Abano-Pass.

Wir sehen auf der anderen Seite wie sich die Landschaft schier endlos in die Weite zieht. Die ersten kleinen Siedlungen ziehen an uns vorbei und wir erreichen den Hauptort Omalo auf 2000 m. Es fühlt sich an, als müsste man auf dieser Seite eines so langgezogenen Passes wieder in die Zivilisation gelangen und grosse Hauptstrassen sehen, aber man findet sich wieder in einem gigantischen Bergkessel, umringt von sanft geschwungenen Berglandschaften und tiefen Tälern!   

Wir müssen zugeben, dass wir bei der Ankunft ein wenig enttäuscht sind, da es nicht die typischen dramatischen Berggipfel gibt und Omalo nicht das malerischste Bergdorf ist. Mit jedem Tag in Tuschetien spüren wir aber das Spezielle, das Mystische von diesem einzigartigen Ort mehr und mehr. Knappe zwei Wochen verbringen wir hier und es mausert sich auf alle Fälle zu einem Highlight unserer Reise!

 

Strassen von Tuschetien:

Zuerst gehen wir 45 Jahre zurück. Tuschetien: abgelegen, einsam und wunderschön. Es gab vor 45 Jahren noch keine Strasse! Erbaut wurde sie erst 1978! Um damals nach Tuschetien zu kommen, musste man tagelang mit Pferd und Proviant unterwegs sein. Heute ist es einfacher geworden und die 60 km lange abenteuerliche Abano-Pass-Strasse ermöglicht es in fünf Stunden Tuschetien zu erreichen! Dies ist so nebenbei bemerkt nicht unsere Zeit, sondern die der Einheimischen! 

Man kann erahnen, was es für eine 4x4 Strecke sein muss, wenn die Einheimischen mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 12km/h unterwegs sind! Wir nahmen uns übrigens jeweils 8 Stunden Zeit :-).Der Abano-Pass: Extrem enge Haarnadelkurven (Fahrzeuge kommen z.T. nicht in einem Zug durch), die mittendrin zusätzlich steil ansteigen; überall Steine, bei welchen man aufpassen muss, dass man keinen platten Reifen einfährt; auf einer Seite steil runter und auf der anderen steil rauf; Bachdurchquerungen, etc. etc… 


Das Kreuzen mit anderen Fahrzeugen kann ebenfalls eine Herausforderung sein. Die etlichen Gedenktafeln der tödlich verunfallten geben uns ein mulmiges Gefühl, jedoch sollen viele Einheimische dem Alkohol und Fahren nicht abgeneigt sein.

Aber ganz ehrlich, wir finden die Hauptstrassen, wo man mit 80km/h konstant Überholmanöver hat und oft zu dritt auf zwei Spuren nebeneinander ist, gefährlicher.

In Tuschetien selbst sind die Strassen nicht besser und eine 15 km lange Strecke dauert auch hier über eine Stunde. 

In den insgesamt zwei Wochen legten wir 220 km zurück (2x Pass=120km & 100km in Tuschetien), alles Offroad!

Anforderungen ans Fahrzeug: Ohne Allrad und genug Bodenfreiheit bewältigt man den Pass nicht oder nur mit ernsthaften Beschädigungen am Fahrzeug! Reduktionsgetriebe ist ebenfalls äusserst hilfreich, damit man sehr langsam über steile, grobsteinige Passagen „kriechen“ kann und somit Kupplung und Federn schont!  

 

Geschichtliches und Religion:

Im 4. Jahrhundert fliehen einige Bewohner des Flachlandes vor der Zwangschristianisierung in die unbewohnte Bergregion Tuschetiens. Später nehmen die Bewohner, die Tuschen, aus wirtschaftlichen Gründen das Christentum dennoch an, leben aber ihren eigenen Glauben relativ unabhängig weiter.

In ganz Tuschetien gibt es nur sehr vereinzelt Kirchen und an vielen Orten befinden sich kleine Heiligtümer in freier Natur, die sogenannten „Chati“, an welchen noch heute in heidnischer Tradition den Naturgöttern Opfer dargebracht werden. Diese religiösen Stätten sind meist streng nach Geschlechtern aufgeteilt. Wo Frauen keinen Zutritt haben, ist dies meist mit einem Schild gekennzeichnet (für die Touristen!).

Spannend ist auch, dass die Bergregion als „rein“ angesehen wird und Schweine als „unrein“. So kommt es, dass in ganz Tuschetien der Verzehr von Schweinefleisch nicht erlaubt ist. 

 

Tuschetien heute und die Dörfer:

Viele der kleinen Dörfer sind heute fast verlassen und nur noch einige ausschliesslich in den Sommermonaten bewohnt, wenn die Schafhirten ihre Herden auf die Alpwiesen treiben. Von den etwa 50 Dörfern sind 14 komplett ausgestorben und werden von der Natur zurückerobert. Der in den letzten Jahren aufkommende Tourismus hat jedoch grosse Veränderungen und neue Einkommensquellen gebracht. Die bekannten touristischen Orte Omalo und Dartlo bestehen heute hauptsächlich aus Gästehäusern, sogar zwei grosse Hotels wurden in den letzten Jahren eröffnet. Auch in den kleineren Dörfern gibt es mittlerweile fast überall zumindest eine Unterkunft für Touristen. Trotzdem blieben die Dörfer mehr oder weniger authentisch erhalten. Die vollständig aus Schiefer erbauten Häuser wurden restauriert oder im alten Stil neu gebaut. Die teils wunderbar verzierten Holzgeländer der Balkone geben den Häusern einen künstlerischen Touch. Wie die Region Svaneti, ist auch Tuschetien bekannt für seine Wehrtürme:

Zeugen der kriegerischen Vergangenheit. Sie unterscheiden sich jedoch durch die Dächer, die hier nicht aus Schindeln bestehen, sondern aus Stein und pyramidenförmig gebaut wurden.

Das Dorf Dartlo ist besonders malerisch und gilt als Museumsdorf. Hier wurden dank der Unterstützung der Weltbank sämtliche Blechdächer wieder durch Schieferdächer ersetzt. Die kleinen Fusswege durch das Dörfchen werden kaum ausgemäht; beim Erkunden findet man sich teilweise inmitten wunderschöner Wildblumen wieder.

In Kombination mit den schönen Steinhäusern ergibt dies ein Bild wie aus dem Bilderbuch! Eine Sehenswürdigkeit in Dartlo ist auch das traditionelle Gericht, bestehend aus 12 Steinstühlen, die für 12 ältere weise Richter waren. Die Höchststrafe dieses Gerichts aus dem 16. Jhdt. war die Verbannung aus dem Dorf und der Gesellschaft. Es blieb bestehen bis mindestens ins 18. Jhdt. Obwohl Dartlo sicher das schönste Dorf in ganz Tuschetien ist, finden wir andere Dörfer wie Diklo oder Shenako doch interessanter.

Sie sind authentisch, werden regulär bewohnt und das alltägliche Leben findet ungehindert statt!

Die Stromversorgung läuft übrigens fast überall über Solar. Nur sehr vereinzelt hat es kleinste Wasserkraftgeneratoren.

 


 

Geschichten über Land und Leute:

 

Der Winter in Tuschetien und der 82-jährige Doktor:

In dieser Geschichte wird es kalt und weiss. Der Winter macht auch in Tuschetien nicht Halt. Wenn der Schnee fällt, und der knapp 3000m hohe Abano Pass im Oktober unpassierbar wird, stirbt die Gegend praktisch aus. Wären da nicht fünf ältere Personen, die den ganzen Winter, von Oktober bis April/Mai ganz alleine in Tuschetien verbringen würden! Übrigens nicht alle im selben Dorf, wie man annehmen könnte, Nein! In Shenako lebt ein Ehepaar und eine Einzelperson, in Omalo eine Person, und zu guter Letzt ein Mann in Bochorna. Dieser Mann, der örtliche Doktor, ist 82 Jahre alt und hat sein Leben lang (ausser dem Studium) in Tuschetien gelebt! Zwischen den Dörfern (ca. 10 km entfernt voneinander) ist man wegen des Schnees mit dem Pferd unterwegs! Ganz schön einsam!! Wenn man doch mal etwas aus der Zivilisation braucht, wird dies per Helikopter (der übrigens alle 2 bis 3 Wochen hochfliegt) hochgebracht. Aber wie kann man sich dies leisten?? Nun, da die Gegend an Russland grenzt, gibt’s alle paar Wochen Schichtwechsel der Soldaten auf den verschiedenen Militärposten in der Region und dann packt die Crew das eine oder andere einfach mit in den Helikopter :-).  

 

Die Pferde von Tuschetien:

Tuschetien ohne Pferde wäre wie Las Vegas ohne Casinos! Die Tiere begegnen uns überall. Am Morgen wachen wir auf und neben uns grasen Pferde in der Wildnis vor einem fantastischen Bergpanorama. Wie auch die Kühe und Esel sind die Pferde überall frei, und dennoch haben sie irgendwo einen Besitzer.

Die Jungs prahlen vor den Mädchen nicht mit Mopeds oder Fahrrädern, sondern mit ihrem Pferd und wie gut sie reiten können :-). Ein junger Mann dreht nicht seine Stereoanlage seines BMW’s auf, sondern startet seine kleine umgehängte Boom-Box und reitet zu Technomusik genüsslich los. Auch unzählige Anbieter von Pferdetrekkings treffen wir an. Man benötigt hier keinerlei Reiterfahrung um mitzumachen, da reiten ja Allgemeinbildung ist :-)Und so kommt es, dass wir Touristen treffen, die sich die Schulter verletzt haben beim Runterfallen vom Pferd. Alles eine Stufe wilder als bei uns :-).

Die Pferde gehören zu einer bestimmten Rasse, sind etwas kleiner aber dafür sehr kräftig und ideal für die harsche Bergregion. Für die tägliche Arbeit werden die Tiere natürlich auch eingesetzt. Vor allem in den Gebieten ohne Strasse, sind die Pferde für Transport von Mensch und Waren unerlässlich.

 


 

Familien gehen z’Alp:

Im Sommer ziehen viele Familien mit ihrem Vieh für fünf Monate vom Tiefland nach Tuschetien. Diese Prozedur, im Frühling rauf, im Herbst runter, dauert jeweils etwa eine Woche! Unglaublich! Die Kinder der Familien gehen in ihren Schulferien auch für anderthalb Monate in die abgelegene Bergregion. Sie treffen dort Jahr für Jahr ihre Freunde in den Dörfern und geniessen in vollen Zügen ihre Sommerzeit. Bis vor 35 Jahren gabs noch Schulen in Tuschetien und Familien lebten ganzjährig hier. Mit dem Bau der „Strasse“ über den Abano-Pass vor 44 Jahren änderte sich vieles und Familien zogen über den Winter ins Tiefland und Schulen wurden aufgegeben.  

 

Kaffee und Techno auf dem Abano Pass:

Wir kommen also während der Rückfahrt auf dem 3000 m hohen Pass an. Leider sehen wir vor lauter Nebel kaum die eigene Hand, geschweige denn das schöne Bergpanorama. Aber nicht nur das Wetter irritiert, sondern auch die laute Technomusik, die durch den Nebel dringt; wir sehen nur vage das dazugehörende Auto. 

 

Wir richten uns zum Übernachten ein, der Nebel lichtet sich und bald sehen wir deutlich den farbig beklebten Bus, davor die grosse Musikbox und ein Schild, welches den besten Kaffee Tuschetiens, Cookies und Chacha (Grappa) anpreist. Wir werden neugierig und ein Käffchen wäre ja auch nicht übel. So lernen wir Daji kennen, eine gebürtige Tuschetin. Die 26-jährige Frau ist mit ihrem Bus seit fünf Tagen hier oben und plant für 1 ½ Monate ihr Business hier zu betreiben. Sie übernachtet mutterseelenallein im Zelt oder im Bus und wird von ihrer Familie und Freunden regelmässig mit Verpflegung und frischen Backwaren zum Verkauf versorgt.


Der Familienzusammenhalt ist gross. Und auch einer der Park-Ranger unterstützt sie, indem er auf dem Pass kurzerhand eine WiFi-Internetverbindung installiert. Wir laden sie am Abend zu uns in den Camper ein, bei dem kalten und windigen Wetter nimmt sie unser Angebot gerne an, und sie revanchiert sich bei uns grosszügig mit leckeren Cookies und Käse. Wir erfahren von ihr Interessantes über Tuschetien und Spannendes aus ihrem Leben. Ihr grosser Traum ist es, ein eigenes Restaurant zu eröffnen, Geld zu verdienen und die Welt zu erkunden! Sie hat in Tiflis Tourismus studiert, spricht sehr gut Englisch und arbeitete eine Zeitlang als Guide in Tuschetien. Heute lebt sie wieder in Tiflis und arbeitet aktuell in einer guten Weinhandlung. Die Idee mit dem Snack- und Kaffeebus hatte sie schon lange und kann dies nun diesen Sommer das erste Mal realisieren. Wir sind beeindruckt von der jungen mutigen Frau, die alles dafür gibt ihre Träume zu verwirklichen. Auch erstaunt und erfreut sind wir über die unkonventionellen und fortschrittlichen Ansichten der Lebefrau Daji, welche sie sehr offen mit uns teilt. Arrangierte Ehe und Kinder mit 20 Jahren: nein danke! Sie möchte ihr eigenes Leben leben, hat klare Ziele und kämpft für ihre Träume. Und sie mag Techno, Partys und steht auf schwarze Männer :-).

 


 

Wanderungen:

 

Gontai Aussichtspunkt:

Natürlich machen wir in der wunderschönen Gegend verschiedene Wanderungen. Von unserem Deluxe-Schlafplatz am Gontai Aussichtspunkt mit einer 360° Rundumsicht unternehmen wir eine Höhenwanderung, die uns über einen breiten grasbewachsenen Grat auf den drei Stunden entfernten Gipfel Pizilanta (3000 m) führt. Der Anfang der Wanderung ist bereits ein Highlight: Der Pfad führt durch ein Meer voller blühender Alpenblumen! Die Vielfalt und das Ausmass der Blumenfelder ist überwältigend und übertrifft unsere Schweizer Alpenflora bei Weitem, vor allem im Ausmass!

Die Aussicht vom Grat aus verleiht uns nochmals einen ganz anderen Blick auf das Gebiet: Über den tiefen grünen Tälern ragen die teils über 4000 m hohen Gipfel in den Himmel und deren Flanken glänzen hell in der Sonne. Es sind Schieferfelsen, wir nennen sie Silberberge :-). Die Fernsicht ist gut und so sehen wir auch die jenseits der Grenze liegenden russischen Berge. Die Aussicht über und in die wilden Täler ist beeindruckend und wir staunen wie zerfurcht und zerschnitten die ganze Gegend ist. Über uns am Himmel kreisen einige Geier (vermutlich Gänsegeier) und andere Greifvögel. Es soll hier auch Bartgeier geben, von den Einheimischen „der Vogel der die Lämmer holt“ genannt.

Für den Rückweg steigen wir ins Tal runter und kommen am Dorf Bochorna vorbei, welches auf 2345 m liegt und ganz offiziell den Titel „höchste Siedlung in Europa“ für sich beansprucht. Und somit unserem Schweizer Dorf Juf den Titel streitig macht! Die Frage ist nur: Liegt der Kaukasus bzw. Georgien in Europa? Hier scheiden sich die Geister… Ganzjährig bewohnt wird das Dorf von nur einer Person, nämlich dem 82-jährigen Doktor (im Bericht „Land und Leute“ erwähnt).

 

Girevi:

Auch die Gegend um unseren Schlafplatz in Girevi wollen wir zu Fuss erkunden. Hier ist die Strasse nun definitiv zu Ende und es geht für Touristen und Einheimische nur noch zu Fuss oder Pferd weiter. Auch das bekannte Trekking über den Atsunta Pass nach Shatili verlässt hier endgültig die „Zivilisation“. Da man sich während des Trekkings nahe der russischen Grenze befindet, müssen sich die Wandernden beim Militärposten neben dem Dorf Girevi registrieren. Direkt dahinter weitet sich das Tal und ein breites steiniges Flussbett nimmt für ein kurzes Stück die ganze Talbreite ein. Ein eher seltener Anblick in Tuschetien, sind doch die meisten Täler sehr eng und steil und der Fluss hat nur wenig Platz. Wir verlassen das Flussbett, steigen steil hinauf und wandern entlang einer steilen Talflanke in Richtung Atsuna-Pass. Mit dem Fernglas beobachten im Talboden wir das Lager der Schafhirten, wo gerade eine Schafschur im Gange ist. In einem engen Pferch liegt ein Knäuel Schafe, daneben kauern drei Männer, die mit einer Art Schere den Schafen die Wolle vom Leib schneiden.

Die tuschetische Wolle, als Qualitätsware bekannt, wurde in Sowjetzeiten nach Russland exportiert und war ein lukratives Geschäft. Ab den 1990er Jahren wurde der kostbare Rohstoff einfach verbrannt oder weggeworfen. Heute gibt es zum Glück wieder ein Unternehmen, dass die Wolle verarbeitet. Das Garn wird hauptsächlich zu Souvenirs für Touristen verarbeitet. Die Handarbeit wird in Tuschetien überall angeboten (Socken, Gamaschen, Handschuhe, gefilzte Waren etc.). Je weiter wir ins Tal hinein wandern, desto schöner wird die Landschaft. Keine Strasse zerschneidet die grünen Hänge, nur die über Jahrhunderte ausgetretenen Schafpfade mäandern durch die steilen Hänge und einzig die braunen Pferche vor den einfachen Hirtenhütten unterbrechen das satte Grün. Auch zerfallene Wehrtürme sind noch weit hinten im Tal zu sehen. Gerne wären wir noch weitergelaufen, doch wir wollen am Abend wieder in Dartlo sein um Evelyn zu treffen und am nächsten Tag in Omalo ein Festival besuchen. (Leider fand das Festival schlussendlich doch nicht statt. Hätten wir dies vorher gewusst, wären wir auf jeden Fall länger in Girevi geblieben…). 

Zurück in Dartlo machen wir uns auf die Suche nach Evelyn, eine gute Freundin aus der Schweiz, mit der wir uns eigentlich erst in Armenien treffen wollten, dann aber gemerkt haben, dass wir ja auch gleichzeitig in Tuschetien sind! Wir treffen einander auf einem Fussweg zwischen Steinhäusern und hohen Blumenwiesen in Dartlo! Nach über einem Jahr ein freudiges Wiedersehen! Wir verbringen einen gemütlichen Abend zusammen, trinken ein paar Tusheti Bier und freuen uns, dass wir uns quasi im hintersten Ecken Georgiens gefunden haben!  


 

Dartlo Festung:

Hoch über dem Dorf Dartlo befindet sich die halb verfallene Festung Kvavlo. Wir kämpfen uns die 350 Höhenmeter über einen nicht mehr existierenden Wanderweg hoch, durch hohes Gras und schöne Blumenfelder (unsere sturen Grinde haben es uns nicht erlaubt, den angenehmen Weg über die Strasse zu nehmen ;-).

Von der Festung selbst sind fast nur noch Häuserruinen vorhanden, der Wehrturm aus dem 13. Jahrhundert wird mit einer Metallkonstruktion vor dem Verfallen bewahrt. Es gibt jedoch tatsächlich noch ein intaktes bewohntes Haus, das natürlich gleichzeitig als Gästehaus fungiert. Für den Rückweg wählen wir den angenehmen Wanderweg zurück ins Dorf Dartlo. Auch hier sind die teils fast mannshohen blumenübersäten Naturwiesen ein Highlight der Wanderung!

 

Diklo:

Vom kleinen Dorf Diklo aus, wo wir auch übernachtet haben, steigen wir vom Talboden rund 400 m auf den Grat hinauf. Hier machen wir das erste Mal Bekanntschaft mit den berüchtigten Tusheti-Hütehunden, von denen wir bereits einige Schauergeschichten gehört haben. Sie sollen eher von der aggressiveren Sorte sein, verteidigen mit Leib und Seele ihr Revier sowie ihre Herde und haben es bereits auf die Gefahrenseite von auswärtigen Ämtern geschafft. Angeblich wurden auch schon Wanderer gebissen und ein Engländer erzählte uns jüngst, dass er einen solchen Hund eine ganze Stunde bellend vor seinem Zelt hatte! Nun gut, kurz bevor wir den Grat erreichen, hören wir ein Bellen, wir halten inne und beobachten. Dann erscheint der erste Hund, kurz darauf stehen weitere fünf grosse Exemplare bellend über uns am Hang und beschützen lautstark ihr Revier. Was nun?

Es wurde uns empfohlen, Steine nach den Hunden zu werfen, da auch die Hirten selbst dies als „Erziehungsmethode“ anwenden… Wir starten einige Versuche, doch die Hunde scheinen wenig beeindruckt. Also machen wir das einzig Sinnvolle und in einer solchen Situation vermutlich weltweit empfohlene: Hunde grossräumig umgehen oder schlimmstenfalls Rückzug antreten! In unserem Fall ist das Umgehen zum Glück problemlos möglich, obschon uns die Hunde noch lange im Auge behalten und anbellen. Von weiter oben sehen wir, dass direkt auf dem Grat und nahe am Wanderweg eine Schäferhütte mit eingepferchten Schafen steht. Vielleicht nicht gerade der idealste Verlauf eines Wanderwegs... Kurze Zeit später nähert sich uns während einer Rast eine weitere Schafherde. Mit dem Fernglas suchen wir die Herde nach Hunden ab, obschon es teilweise schwierig ist, Schafe und Hunde zu unterscheiden :-). Bei dieser Herde scheint es tatsächlich keine Hunde dabei zu haben, trotzdem bereiten wir uns vor, im Notfall auf das Dach des nahegelegenen Antennenhauses zu fliehen :-). Bald kommt die Herde um den Hügel gezogen, die Ziegen in der Vorhut schauen uns ein wenig verdutzt an, ziehen dann aber gemächlich an uns vorbei!

Unser heutiges Ziel ist ein namenloser Gipfel auf rund 3100 m. Der steile weglose Anstieg ist relativ anstrengend, doch wir werden belohnt mit einem schönen Bergpanorama und einer tollen Aussicht ins Tal.

 


 

Schlafplätze:

Unsere Schlafplätze sind allesamt unheimlich schön! Umringt von reiner Natur in Verbindung mit grandioser Aussicht. Oft statten uns Kühe, Pferde oder Esel einen Besuch ab. Insbesondere die Esel können von der aufdringlicheren Sorte sein und wir mussten uns mit Händen und Füssen vom Campingstuhl aus wehren :-). Wie bereits kurz vor Tuschetien treffen wir Florian und Sahra aus Bern noch zwei mal :-).

 

Unsere fantastische Reise durch Tuschetien nimmt an diesem Punkt ein Ende. Zeit zum Weiterreisen in Richtung Süden, in Richtung Armenien.

 


 

24. & 25.7.2022

Lechuri – Gombori – Shulaveri, Georgien

Km: 80 & 180

Km Total: 17’840

Wir fahren in Richtung Süden, in Richtung Armenien. Einen Zwischenstopp legen wir bei der 1000 Jahre alten Alaverdi Kathedrale ein. Trotz allen Gotteshäusern die wir ständig sehen ist diese Kathedrale mit seinen 50 m Höhe (Bis vor wenigen Jahren höchste Kirche Georgiens), den 25 m hohen schmalen Fenstern sowie den lustig verschnörkelten Kaminen der Nebengebäude etwas Besonderes für uns.

Gleich neben der Kathedrale entdecken wir ein Gourmet-Restaurant, also nichts wie hin. In Ländern wie Georgien kann man sich dies leisten, da ein Spitzenmittagessen mit einem Glas Wein und Dessert trotzdem nur 30 Franken kostet. Einen Schlafplatz finden wir in der Nähe eines Passes.

Am nächsten Morgen geht’s nach Tiflis. Auf dem Plan: Shopping-Mall zum Einkaufen und ein tolles indisches Restaurant. Da wir doch in den zwei Wochen Tuschetien immer ähnliches zwischen die Zähne bekamen, sind wir nun froh über etwas komplett Anderes. Wir fahren weiter Richtung Süden und finden unerwartet einen wunderschönen Platz für unsere letzte Nacht in Georgien! 

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